Apprenticeships around the World

Bute Fabrics

Mein dritter Arbeitsplatz und Wohnort lag auf der Insel Bute, die an der Westküste Schottlands liegt. Von Glasgow zwar 1-2 Stunden entfernt, ist sie mit Zug und Fähre aber sehr gut zu erreichen. Vergleichsweise ist die Insel zwar nicht ganz klein, außer einer kleinen Stadt und einigen Orten aber nicht stark besiedelt. Besonders die Natur zeichnet Bute aus, die sich hier mit Stränden und hügeligen Landschaften von ganz verschiedenen Seiten zeigt.

Wieder hatte ich das Glück, in einer freien Wohnung meines
Chefs wohnen zu können, die er gerade verkaufen wollte. Außer zwei Besichtigungen während meiner Arbeitszeit war davon aber nichts zu merken. Die Wohnung hatte einen wunderschönen Ausblick direkt aufs Wasser und war mit drei Schlafzimmern riesengroß.

Ausblick aus meinem Fenster

 

Das hätte wahrscheinlich sehr einsam werden können, wenn ich nicht allwöchentlich Besuch gehabt hätte. Am ersten Wochenende kam Ann-Katrin, die ich in der Gastfamilie kennengelernt hatte, zu Besuch und wir erkundeten, soweit fußläufig möglich, ein bisschen die Insel. Abends waren wir von einer Kollegin zur „Bonfire Night“ eingeladen, die hier alljährlich gefeiert wird. Neben einem Lagerfeuer und Feuerwerk gab es auch ein kleines Buffet. Da sich auf der Insel beinahe jeder kennt herrschte eine sehr herzliche und familiäre Stimmung, in der wir uns direkt wohlfühlten. Leider wurde der anfängliche Nieselregen immer schlimmer, sodass viele schon früh Heim gingen und wir nutzten die Gelegenheit, noch die zwar kleinen, aber sehr belebten Pubs zu erkunden.

 

Das Wochenende danach kamen meine Eltern und meine
Schwester zu Besuch und da ein Auto gemietet war standen uns alle Möglichkeiten offen. Entlang unzähliger Lochs fuhren wir die Küste hoch, haben die schottische Landschaft bestaunt und schließlich am Loch Lomond länger verweilt, wo es auch einige niedliche Geschäfte und für alle eine heiße Schokolade gab. Außerdem haben wir zwei Tage in der Stadt übernachtet und uns Glasgow und Edinburgh angeschaut. Mit meinem Freund hab ich das Wochenende darauf hingegen ein eher entspanntes Wochenende auf der Insel verbracht, was auch definitiv mal wieder nötig war.

Traditionelles Frühstück

Von der Wohnung aus hatte ich einen 20 minütigen Laufweg, anfangs etwas nervig, aber eigentlich eine gute Abwechslung vom Arbeitstag. Bei meinem Hin- und Rückweg war es meistens dunkel, weshalb ich meine Abende lieber entspannt zuhause verbracht habe.
Die Firma Bute Fabrics fertigt schon seit den 1950er Jahren hochwertige Wollstoffe her und ist international für gute Qualität und Design bekannt, dass von der besonderen Natur vor Ort inspiriert ist. Mittlerweile werden besonders Möbel- und andere robuste Stoffe hergestellt, die sich durch außergewöhnlich Farben und verschiedenste Strukturen auszeichnen. In meinen ersten zwei Wochen konnte ich alle Bereiche der Firma kennenlernen. In der eigentlichen Fabrikhalle befanden alle Webmaschinen, die gelagerten Garne und außerdem noch verschiedene belichtete Tische zur Qualitätsüberprüfung. Da durchgehend produziert wurde, herrschte etwas Stress und Zeitdruck und ich konnte lediglich bei der Arbeit zuschauen. Die meiste Zeit habe ich im daneben gelegenem Gebäude verbracht, in dem die Stoffe designt, getestet und versandt werden. Zu meinen Aufgaben gehörten das Zuschneiden und Versäubern von Stoffproben, entweder als Probe für Kunden oder als so genannter „Master“, der Farb- und Webstandards für die weitere Produktion festlegt. Zu letzterem gehörte außerdem entsprechendes Beschriften und das Einsortieren in den Bestand. Diese Tätigkeiten standen zwar nicht wirklich im Bezug zu meinem Beruf als Schneiderin, trotzdem war das routinierte Arbeiten eine gute Erfahrung und ich war beeindruckt von der Vielfalt der Stoffe. In der dritten Woche wurde dann eine Nähmaschine für mich bereitgestellt. Nachdem ich anfangs einige Etiketten neu annähen musste, konnte ich nun kreativ werden. Für einen Kindergarten sollten Weihnachtssocken in deren eigenem Tartan-Muster angefertigt werden. Dafür erstellte ich den Schnitt und probierte einige Verarbeitungsmethoden, bis ich schließlich insgesamt 20 Socken nähte. Diese kamen bei vielen Kollegen gut an, sodass ich einige persönliche Anfertigungen machte und eine kleine Kollektion für den firmeneigenen Laden herstellte. Dementsprechend gut traf es sich, dass ich anstatt der geplanten drei Wochen noch eine Woche länger in der Firma blieb, weil es Kommunikationsprobleme mit dem neuen Betrieb gab. Es hat mir großen Spaß gemacht, selbstständig an diesen Projekt zu arbeiten, weil ich die Möglichkeit hatte, verschiedene Dinge auszuprobieren und merkte, wie ich immer schneller und besser beim Arbeiten wurde. Außerdem war das positive Feedback sehr motivierend und schön zu hören.

Über meine beiden letzten Wochen bei TJ Matthews, eine Firma die traditionelle Sakkos, Westen und Hosen herstellt, und meine Heimreise berichte ich bald und freue mich jetzt auch schon wieder auf Zuhause!

Finja

Houston Kiltmakers

Nun bin ich schon eine ganze Weile hier und genieße meine Zeit, auch wenn manchmal das Heimweh anklopft. Die letzten Wochen habe ich ohne WLAN verbracht, was zwar die Erfahrung vielleicht mal wert, aber definitv auch eine Herausforderung war. Mein Beitrag hat sich dadurch etwas verzögert, hier mal ein Überblick über meine letzten Wochen.

Nach meiner Zeit bei der Gastfamilie bin ich nach Paisley umgezogen, eine kleine, sehr hübsche Stadt westlich von Glasgow. Das bis heute berühmte Paisley-Muster wurde hier erfunden und hergestellt, was die Stadt im 19. Jahrhundert bekannt und wirtschaftlich relevant gemacht hat. Heute hat Paisley neben schöner Archtiktur auch kulturell einiges zu bieten, nicht zuletzt weshalb sie als „UK-City of Culture“ kandidiert. Im Hinblick auf Geschäfte, besonders Supermärkte, macht sich der Charakter einer Kleinstadt jedoch bemerkbar, da Glasgow aber in 10 Minuten mit dem Zug erreichbar ist, konnte ich mir die Zeit problemlos vertreiben.

Direkt über meinem Arbeitsplatz befand sich mein Appartement, das mein Chef netterweise zur Verfügung gestellt hat. Neben einem gemütlichen Schlafzimmer und einer gut ausgestatteten Küche hatte ich auch einen großen Fernseher mit einer noch größeren DVD-Sammlung. Diese war auf jeden Fall ein guter Ersatz für das Internet und mit selbstgekochtem Essen habe ich mir hier abends gemütlich gemacht.

Houston Kiltmakers ist ein in dritter Generation geführter Familienbetrieb. Ursprünglich als Herrenausstatter hat sich der Laden im Laufe der Zeit auf „Highlandwear“ spezialisiert. Jeder Kilt ist maßgefertigt und auf die Wünsche des Kunden angepasst. Neben einer Reihe von modernen Tartans hat jeder traditionelle Familienname, der auf die schottischen Clans zurückgeht, ein ganz eigenes Muster, das gerne bei festlichen Anlässen präsentiert wird. Kilts und Sakko werden hierbei von einer Vielzahl von Accessoires ergänzt. Als preiswertere Alternative gibt es außerdem einen Leihservice.

       

Die maßgefertigten Kleidungsstücke werden in einem anderen Betrieb hergestellt und in der internen Schneiderei, in der ich gearbeitet habe, angepasst und für die Anprobe vorbereitet. Kilts sind sehr änderungsfreundlich, weshalb sie ein Leben lang getragen und ebenfalls für jeden Verleih individuell angepasst werden können. Die Weite wird mit Gürtelschnallen reguliert, die bei Bedarf abgetrennt und an entsprechender Stelle neu angenäht werden. Zum Kürzen wird der Saum mit einem unsichtbaren Maschinenstich hochgenommen. Dazu müssen die zahlreichen Falten zuvor herausgebügelt und anschließend mit einer Bügelpresse neu fixiert werden. Nach einiger Beobachtungszeit konnte ich mich daran probieren und später auch ganz eigenständig Aufträge bearbeiten. Aufgrund der Menge(ganze 7 Meter Stoff) und des Gewichts brauchte ich anfangs erwas Übung im Umgang mit den Kilts, aber mit der Zeit und einigen hilfreichen Handgriffen meisterte ich die Aufgaben schließlich problemlos. Auch für Hochzeiten passend angefertigte Accessoires wie Krawatten, Schärpen, Strumpfbänder, Ringkissen usw. konnte ich selbstständig anfertigen. Da es immer neue, individuelle Aufträge gab, war die Arbeit sehr abwechslungsreich und interessant. Besonders gut hat mir gefallen, dass in meine Fähigkeiten vertraut wurde und ich Verantwortung übernehmen konnte.

Mittlerweile bin ich auf der Insel Bute und arbeite hier für die gleichnamige Firma, die Wollstoffe designt und herstellt. Bald folgt darüber mehr.

 

Finja

Die ersten Wochen

Ich bin 21 Jahre alt und habe im Sommer dieses Jahres meine Ausbildung als Maßschneiderin abgeschlossen. Um sowohl sprachliche als auch fachpraktische Erfahrungen zu sammeln verbringe ich nun 12 Wochen in mehreren Betrieben hier in Glasgow.

Nun bin ich schon fast drei Wochen hier in Glasgow und habe mich ziemlich gut. Als ich am Sonntagabend etwas verspätet ankam, wurde ich von meiner Gastfamilie bereits erwartet. Samina und ihr Mann kommen ursprünglich aus Pakistan und wohnen jetzt mit ihren vier Töchtern in einer lauschigen Wohnsiedlung am Rande Glasgows. Nachdem ich mich des vielen Gepäcks entledigt hatte, wurde mir ein Sandwich gebracht und ich habe die zweite, ebenfalls deutsche Gastpraktikantin kennengelernt. Ann-Katrin und ich teilen uns ein Badezimmer und glücklicherweise hatten wir am nächsten Tag auch den selben Weg in Richtung Innenstadt.

In meiner ersten Woche hatte ich vormittags einen Englischkurs. Das war sehr hilfreich, um sich an die Sprache zu gewöhnen und neue Leute kennenzulernen. Außerdem habe ich die anderen Praktikanten getroffen, die wie ich von der Organisation Light on the Path betreut werden. Auf Anhieb hat sich eine Gruppe von 5 Mädchen gefunden, darunter Ann-Katrin, zwei weitere Deutsche und eine Schwedin. Zusammen planten wir, am Wochende eine Reise durch die Highlands zu machen. Nachdem ein Mietwagen und die Unterkünfte gebucht waren, haben wir uns Samstagmorgen auf den Weg gemacht. Wegen der wunderschönen Landschaft war die lange Autofahrt kein Problem und immer, wenn wir eine besondere Stelle entdeckt hatten, haben wir für eine Pause und ein paar Fotos angehalten. Auf unserer Liste standen außerdem Loch Limone und Loch Ness, die Stadt Fort William, in der wir die Nacht verbrachten, eine durchaus abenteuerliche Wanderung zu einem Wasserfall und schließlich die Stadt Inverness, die an der Mündung des Flusses Ness in die Nordsee liegt. Nach reichlich vielen tollen Eindrücken und nicht zuletzt einer Menge Regen kehrten wir am Sonntagabend erschöpft zurück.

 

Passenderweise war Montag ein Feiertag und wir verbrachten einige Zeit am sonnigen George-Square und schauten uns die Kathedrale an. Am Dienstag startete ich dann die erste Etappe meiner Praktika. Ingles Buchan ist eine kleine Firma im Zentrum von Glasgow, die Accessoires aus den typischen Karostoffen, sogenannten Tartans, herstellt. Ihre Krawatten, Fliegen, Mützen und Hosenträger in verschiedensten Mustern und Farben findet man besonders in schottischen Souveniershops. In einem sehr freundlichen Arbeitsumfeld durfte ich mich sowohl an Maschinen- und Handarbeiten als auch am Zuschnitt probieren. Aufgrund der Katomuster muss man sehr genau arbeiten, was anfangs etwas schwierig war und etwas Zeit gebraucht hat. Da jedoch große Stückzahlen produziert werden, stellte sich nach einiger Zeit eine gewisse Routine bei mir ein, gleichzeitig war es sehr abwechslungsreich, da mir stets neue Aufgaben zugeteilt wurden. Besonders hat mir das Gefühl gefallen, sinnvolle Arbeit zu leisten und etwas hilfreiches beizutragen.

 

Meine nächste Woche werde ich in einem neuen Betrieb und damit verbunden einer neuen Unterkunft verbringen und bin schon gespannt und vorfreudig auf die neuen Eindrücke…

Bis dahin, Finja