Apprenticeships around the World

Julia und die Touristen

Der Tagesausflug nach Verona hat mir nicht nur das Kennenlernen einer anderen bezaubernden Stadt gebracht, sondern auch die letzte Woche meines Praktikums eingeläutet.

P1020022Verona ist wirklich einen Ausflug wert. Es ist zwar die erste Stadt, in der erstmal nicht klar ist, wie man in das Stadtzentrum gelangt, aber hat man es einmal gefunden eröffnet sich einem eine sehr schöne Architektur. Als erstes findet man die Arena Verenas vor. Ein kolossales Gebilde, das die Jahrhunderte fast ohne Probleme überdauert hat. Im Jahr 30 n. Chr. wurde es außerhalb der Stadt Verona erbaut und diente in erster Linie zur Unterhaltung der Bevölkerung durch Gladiatoren- und Tierkämpfe. Mit ihrer ursprüngliche Größe steht die Arena an vierter Stelle der in Italien liegenden Arenen. Leider sind nicht mehr alle erbauten Ringe erhalten. Nachdem im 12. Jahrhundert die Arena von einem Erdbeben erschüttert wurde, diente sie der Stadt als Steinbruch, was dazu führte, das von dem äußersten Ring nur noch vier Bögen stehen. Von den Italienern wird dieser Teil „l’ala“ also auf deutsch „der Flügel“ genannt.
Seit dem 20. Jahrhundert wird die Arena jetzt als regelmäßige Schauspielstätte verwendet und auch diesen Sommer wird es wieder einen Opernsommer geben.

P1010967Von der Arena führte unser Weg durch die Altstadt zu dem wohl bekanntesten Ort Veronas: Julias Haus. Ich war furchtbar aufgeregt endlich mal in dem Innenhof des Hauses der Capulets zu stehen. Leider war es dadurch umso enttäuschender dort zu sein. Durch Erzählungen und den Film „Briefe an Julia“ hatte ich geglaubt, dass es ein schöner, romantischer Ort sei, der noch nicht komplett dem Tourismus verfallen ist.

Im Innenhof steht eine Bronzestatue der Julia und es gibt einen Brauch, eigentlich zwei: verzweifelt Verliebte sollen dort hinkommen und die Brust Julias berühren, diese Berührung soll Glück bringen. Man kann auch noch einen Brief an Julia schreiben wodurch die Sicht auf die Dinge klarer werden soll. Diese zwei Bräuche werden auch betrieben, aber in einem Maße, den ich nicht erwartet habe und nicht unterstütze. Der Anblick hat nichts schönes, denn man sieht im Grunde nur laute Menschen, Handys und überall Kaugummis und Eddingnotizen an den Wänden. Sogar einen kleinen Laden, der Liebesschlösser verkauft ist vorhanden. Ein Foto von der Statue allein zu bekommen ist kaum möglich, denn kaum hat einer sie verlassen steht schon der nächste neben oder hinter ihr um die Brüste zu begrapschen. Vielleicht habe ich da sehr spießige Anschichten, aber ich finde, das leider sogar dieser Ort touristisch verramscht ist.
Wir haben uns dann noch die Zeit genommen und haben uns das Haus von innen angeschaut, denn das ist noch genauso erhalten, wie es im Ende des sechzehnten Jahrhunderts ausgeschaut hat. Man erkennt sofort in welchem Reichtum die Capulets gelebt haben. In jedem der unzähligen Zimmer befindet sich ein Kamin und Malerein an den Wänden. Auch das ausgestellte Bett, sowie die Kleidung zeigen den Reichtum auf. Die Räume sind zudem noch mit Bildern zu dem Thema „Romeo und Julia“ ausgestattet. Es haben sich sehr viele Künstler diesem Paar gewidmet. Natürlich stellt man sich dann auch auf den Balkon der Julia und schaut von oben auf die Meute im Innenhof herunter.

P1010988Über die Straße, in der man Julia findet, gelangt man auf einen Marktplatz auf dem vier Säulen stehen. Auf jeder findet man eine andere Statue. Auf der ganz linken trohnt der Venezianische geflügelte Löwe, den man natürlich in Venezia findet, aber auch in Vicenza. Er steht dafür, dass das Venezianische Reich sich nicht nur auf die Lagunenstadt beschränkt war, sondern auch bis Verona reichte.

Weiter ging es Richtung Fluss. Die Etsch schlängelt sich S-förmig durch die Stadt und wird an vielen Stellen von Brücken überspannt. Die Scaligero, auch Ponte de Castelvecchio ist sehr besonders, da sie in einer Festungsanlage endet. Die Brücke an sich ist schon fast eine Burg und fällt nicht nur wegen ihrer Zinnen auf. Sie ist auch die einzige Brücke, die aus leuchtend rotem Stein gebaut wurde und zur Burg hin leicht ansteigt.
Sie wurde im 14. Jahrhundert erbaut und diente dem Herrscher als sichere Fluchtmöglichkeit aus der Stadt. Sie ist so stabil gebaut, dass sie allen Fluten, die die Stadt erlebte Stand hielt und erst während des 2. Weltkrieges durch Bomben zerstört wurde. Ende der vierziger Jahre wurde die Ponte Scagliero schon wieder Originalgetreu aufgebaut.
Am Fuße der Brücke befindet sich ein kleiner begehbarer Steinstrand, der vielen Jugendlichen als Treffpunkt und uns als Pausenort dient.
Die Atmosphäre in Verona ist sehr angenehm und auch hier gilt: am schönsten ist die Stadt, wenn man sich von den Touristenpfaden löst und in die ruhigeren kleinen Gassen einbiegt.

Im Moment kann ich es gar nicht begreifen, dass schon drei Wochen vergangen sind und ich in einer Woche um diese Uhrzeit wieder zu Hause bin. Die Zeit ist wirklich geflogen und ich würde gerne noch etwas länger bleiben, weil ich denke, dass ich langsam soweit bin, dass ich auch die Sprache lernen kann. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich so schwer tun würde italienisch zu lernen und zu sprechen. Und wahrscheinlich bin ich die einzige Praktikantin, die aus Italien zurückkommt und mehr englisch sprechen gelernt hat, als italienisch.
Außerdem kann ich mittlerweile wirklich sagen, dass ich mich hier gut eingelebt habe und ich mich in Vicenza und Venedig sher wohl fühle. Es ist immer ein gutes Gefühl, wenn Wege selbstverständlicher werden und man sich langsam zu der Stadt gehörig fühlt.

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Zudem wird es hier langsam wunderschön. Jeden Tag wird es ein wenig grüner und wärmer. Eine Strickjacke und Sandalen reichen völlig aus um vor die Tür zu gehen und eine Sonnebrille sollte man auf jeden Fall immer im Gepäck haben!

A presto                   eure Clara

Veröffentlicht von

Clara Merkel

Im März 2016 bin ich durch Erasmus+ für vier Wochen nach Venedig gegangen um dort in dem Atelier von Stefano Nicolao ein Praktikum zu absolvieren. In der Zeit habe ich angefangen meine Erfahrungen und Erlebnisse hier festzuhalten und zu teilen. Nach meiner Gesellenprüfung zur Schneiderin Fachrichtung Damen, die ich 2017 erfolgreich abschloss zog es mich wieder ins Ausland. Diesmal ging ich mit dem Parlamentarischen Patenschafts-Programm für ein Jahr nach St. Cloud in Minnesota. Dort studierte ich für ein Semester und arbeitete ansonsten als Änderungsschneiderin. Darauf folgten zwei Jahre Gesellenzeit am Paderborner Theater, inklusive der Erfahrung in Heimarbeit zu arbeiten. Seit Sommer 2020 lebe ich in Hamburg und absolviere meine Weiterbildung zur Gewandmeisterin. Das erste Jahr habe ich mittlerweile abgeschlossen und hoffe Sie mit durch das zweite Jahr zu nehmen. Viel Spaß beim lesen. Ihre Clara Merkel

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