Ich mag das Gefühl, das man hat, wenn der Flieger startet. Man wird tief in den Sessel hineingedrückt. Bei mir löst es das Gefühl von Sicherheit aus. Eigentlich das beste Gefühl, das man haben kann, wenn man eine lange Reise startet.
Genau genommen hat die PPP-Reise schon vor einem Jahr begonnen, als ich im Sommer die Bewerbungsunterlagen bei der GIZ angefordert habe. Vom Parlamentarischen Patenschafts-programm habe ich von dem Mobilitätsberater der Handwerkskammer Kassel gehört. Schnell war mir klar: schaden kann es nicht, also bewerbe ich mich mal. Zum Glück war mir nicht von Anfang an bewusst, wie Nervenaufreibend die ganze Sache werden würde. Aber je länger sich der Prozess in die Länge zog umso klarer wurde mir wie sehr ich diese Chance bekommen möchte ein Jahr in den USA leben und arbeiten zu dürfen.
Gerade sitze ich gegenüber vom YMCA in New York und langsam kommt auch bei mir an, dass es sich nicht nur um ein paar Tage Urlaub hier handelt, sondern, dass ich morgen zu meiner Gastfamilie nach St. Cloud in Minnesota fliege und ab Montag auch die St. Cloud State University als Studentin besuche.
Auf meine Platzierung habe ich lange warten müssen. Nicht so lange, wie andere, aber aufregend war es schon, erst zwei Wochen vor meinem Abflug zu erfahren wo ich ein Jahr lang leben werde. Es war der beste Anruf den ich seit langem bekomme habe, als mir Max und Amanda von Cultural Vistas gesagt haben, dass sie ein College und zudem noch eine Gastfamilie in St. Cloud gefunden haben. Das College ist Teil der St. Cloud State University und biete Fächer im Bereich Theater und Film an. Für mich als ehemalige Auszubildende des Staatstheaters in Kassel ein Traum und die perfekte Platzierung. Wie ich zu meinem Zielort weiterreise habe ich erst hier in New York erfahren. Man braucht also Geduld und Ausdauer, wenn man sich für dieses Programm bewirbt. Aber ich wage es jetzt schon zu sagen, dass es sich lohnt!
Für mich ist es das erste Mal in den USA und somit auch das erste Mal, dass ich in New York bin. Und jetzt mal ehrlich: Wer träumt denn nicht davon, wenigstens einmal durch New York zu laufen? Die Filme die hier spielen versprechen einem viel. Einiges davon wird sogar erfüllt. Eine Bustour bei Nacht zum Beispiel ist wunderbar. New York hat dann ein bestimmtes Licht. Das man gar nicht genau beschreiben kann. Es liegt irgendwo zwischen blau und lila und einem wohligen Gefühl. Die Ausblicke von der Manhattenbridge auf die Skyline von New York, den Hudsonriver und die Freiheitsstatue sind umwerfend. Aber selbst bei einer vermeintlich entspannten Bustour durch ein nächtliches New York lässt die Hektik, die die Stadt beherrscht keinen Moment nach. Es wirkt fast so als ob die Straßen noch voller und die Menschen noch schneller unterwegs sind. Zudem gibt der Tourguide auf dem Oberdeck sein bestes uns keine Sehenswürdigkeit zu unterschlagen, was aber nur zu schaffen ist, indem er sich selber ins Wort fällt.
Die Stadt ist eine Wüste aus Beton, Asphalt und Glas. Das wird mir von Tag zu Tag klarer. Am dritten Tag gehe ich den anderen in der Grand-Central-Station verloren. Kurzerhand mache ich mich alleine auf den Weg. Mein Ziel: Der Central-Park und ein wenig Ruhe. Das bedeutet, etwa zwanzig Straße die Park Avenue hinunter und dann nach links. Alleine merke ich, dass ich schnell in den Rhythmus der Passanten einsteige und die Straßen hinunterhechte. Und dann ist da plötzlich diese Kirche auf meiner rechten Seite. Ein romanischer Bau der mitten in dieser modernen Stadt wirkt, wie aus einer anderen Welt. Ich gehe hinein und bin platt von der klassischen Schönheit dieser Kirche. Das Seitenschiff von St. Barts ist zwar düster, aber mit einer verzierten Holzdecke geschlossen, die mir die Sprache verschlägt. Von der Dame an der Information erfahre ich später, dass der Bau gerade einmal einhundert Jahre alt ist.
Aber noch etwas anderes weckt meine Aufmerksamkeit: der ständige Lärm ist verschwunden. Es ist seit drei Tagen, das erste Mal, dass ich keine Autos, Stimmen oder Klimaanlagen zu hören bekomme. Bitte versteht mich nicht falsch! Die Stadt beeindruckt, keine Frage und es ist auch fantastisch einmal dort gewesen zu sein, aber länger als ein paar Tage halte ich es dort nicht aus. Deswegen bin ich auch sehr gespannt, wie die Tage dort im nächsten Jahr werden.
Jetzt geht es erstmal weiter nach St. Clouds. Mit dem Flieger nach Minneapolis und dann mit einem Shuttle zum Campus der St. Cloud State University. Ich freue mich auf eine ruhige Stadt, weil es aufregend genug ist eine fremde Sprache zu sprechen, permanent auf fremde Menschen zu treffen. Mit dem Kopf kommt man gar nicht hinterher, das alles zu verarbeiten. Daher gehe ich jetzt meine Koffer packen, verabschiede mich von allen und schlafe gut.
See you soon,
eure Clara