Apprenticeships around the World

Amerika – das Land der ungeahnten Möglichkeiten…

…oder so

Ein Freund hat mich neulich nach Unterschieden zwischen den USA und Deutschland gefragt. Als Antwort habe ich ihm einen Link meiner Blogs geschickt und angefangen über St. Cloud nachzudenken. Ich denke ich habe schon den ein, oder anderen, Unterschied aufgeführt, aber ich habe festgestellt, dass ich eigentlich noch nicht von dem Ort erzählt habe, in dem ich lebe.

Nach den anstrengenden Tagen in New York im August, war ich unglaublich froh nach St. Cloud zukommen. Die Stadt liegt etwa eine sechzig minütige Autofahrt, nordwestlich von den Twincities Minneapolis und St. Paul entfernt. Es ist eine ruhige Stadt mit etwa 65.000 Einwohnern. Von New York aus bin ich, gemeinsam mit einer anderen Teilnehmerin meines Programms, zunächst nach Minneapolis geflogen. Von dort ging es weiter an meinen Platzierungsort. Der Highway von den Twincities nach St. Cloud führt durch eine flache unendlich weite Landschaft, die hier und da mal von Billboards oder einem Autohändler unterbrochen wird. Ansonsten ist weit und breit nichts zu sehen, vielleicht mal ein schillernder See. Trotzdem habe ich mich keine Sekunde erschrocken gefragt, wo ich denn hier gelandet bin. Ich habe es nach den paar Tagen, Betonwüste einfach nur genossen und mich sofort wohlgefühlt. Und das tue ich jetzt auch noch.

Der Mississippi-River in St. Cloud

Mir sind auch die Zuggleise aufgefallen, die vom Süden des Staates in den Norden führen. Vielleicht gibt es auch noch mehr, aber von der Bahn wird hier wenig gesprochen. Es ist kein so präsentes Transportmittel, wie in Deutschland. Tatsächlich vermeidet es jeder Amerikaner, der pünktlich woanders sein möchte, den Zug zu nehmen. Jeder Zweite von euch wird jetzt sicher denken, dass auch jeder Deutsche, der pünktlich an einem anderen Ort sein möchte, es vermeidet die Deutsche Bahn zu nehmen. Aber in Deutschland gibt es verhältnismäßig selten Verspätungen von drei Stunden oder mehr. Beziehungsweise, wenn es doch mal so weit kommt, gibt die deutsche Bahn sich in der Regel allergrößte Mühe einen Schienenersatzverkehr zu organisieren. In Amerika gehören die Bahnlinien den Ölfirmen. Das heißt in der Regel wird jedem Güterzug Vorrang gewährt und Personenzüge stehen hinten an und gelegentlich auch mehrere Stunden auf den Gleisen. Mittlerweile habe ich auch den Bahnhof von St. Cloud gefunden. Claudia und ich konnte gar nicht glauben, dass es einer ist, weil er mehr wie eine Bushaltestelle ausschaut. Ich denke das ist ein wichtiger Unterschied.

Am Zielort angekommen, war ich glücklich die Überschaubarkeit der Stadt zu bemerken. Mit meiner Gastmutter habe ich jede Buslinie ausfindig gemacht, die direkt vor unserem Haus abfährt und mein Gastvater hat direkt ein Fahrrad für mich repariert. Ich kann hier gut Fahrrad fahren und mit dem Bus zum Campus ist auch kein Problem. Zumindest tagsüber nicht. Sobald es hier dunkel ist, wir einem davon abgeraten zu Fuß, oder mit dem Rad unterwegs zu sein. Das macht das Nachhause kommen allerdings schwer, da der Stadtbus nur bis neun Uhr abends fährt. Am Wochenende wird es noch schwerer unabhängig unterwegs zu sein. Aber um anzukommen war es genau das richtige für mich, weil es dem, wie ich mich in einer deutschen Stadt bewegt habe, gleichkam.

Egal wo man ist, es ist schwer keine Flagge zu sehen.

Trotzdem besitze ich mittlerweile ein Auto. Ich habe schnell gemerkt, dass es ohne schwer geht. Ja ich bin hauptsächlich hier um zu studieren und zu arbeiten, aber ich möchte auch diesen unheimlich schönen Staat Minnesota kennenlernen und das ohne abhängig von jemand anderem zu sein. Ohne Auto kann man hier nicht spontan sagen: „Ich fahr jetzt los an den See.“ Es erleichtert aber auch den Alltag mit meinen Gasteltern. Wenn ich abends länger wegbleibe, machen sie sich jetzt keine Sorgen mehr, weil sie wissen, wie ich nach Hause komme. Und sie wissen, dass ich auch mal meinen Gastbruder Will abholen kann, wenn sie es nicht schaffen.

Es erscheint mir so als ob die Menschen hier in Minnesota nicht frieren. Langsam wird es Herbst und ich fange an mich immer wärmer anzuziehen. Besonders wenn ich in die Bibliothek gehe achte ich darauf noch eine Schicht mehr anzuziehen, weil die Klimaanlage unnormal kalt ist. Während ich mir also eine Schicht nach der anderen anziehe und mich frage wie ich das im Winter noch toppen soll, scheint es so als würden die Minnesotan gar nicht bemerken, dass die Luft frischer wird und sie laufen herum, wie an dem heißesten Tag, den ich hier bisher erlebt habe: in Shorts und T-Shirt. Der Winter in Minnesota könnte eine Herausforderung für mich werden, er verspricht aber auch weiße Weihnachten, zugefrorene Seen und viel Wind. Da Minnesota ein sehr flaches Land ist, fegt der Wind hier nur so durch.

Typische Straße im Wohnviertel

Die Städte, die ich bisher kennen gelernt habe sind ebenfalls anders aufgebaut, als ich es von zuhause gewohnt bin. Tatsächlich ist es schwer sich in einer amerikanischen Stadt zu verlaufen, weil alle Straßen schnurgerade und in rechten Winkeln zu einander verlaufen. Sie sind eben auf einem Reisbrett entworfen worden. St. Cloud ist um eine Straße herum aufgebaut: St. Germain Avenue. Sie ist vergleichbar mit einer Fußgängerzone. Es gibt einige Restaurants, ein zwei Läden und das Paramount Theater. Belebt ist diese Straße trotzdem nicht. Um sie herum ranken sich zunächst Bankfilialen und dann kommen Wohnhäuser. Das Leben tobt am Shopstrip und in der Mall am Rand der Stadt. Ich habe noch nie so große Parkplätze gesehen wie dort, die eigentlich immer bevölkert sind. Um von einem Laden zum nächsten zu kommen fährt man, selbst wenn es nur auf der anderen Seite des Parkplatzes ist. Es ist einfach ein Industriegebiet, es hat keine angenehme Atmosphäre in der man gerne einkaufen geht. Ich möchte dort gerne alles schnell erledigen um dann wieder an den Mississippi sitzen zu können!

Das sind die Unterschiede, die einem hier direkt auffallen, die man nicht hervorholen muss, die man durch Gespräche herausfindet. Es sind die offensichtlichen Unterschiede.

Was mich auf politischer Ebene beschäftigt und welchen Unterschied ich in dem Bereich bisher erlebt habe, lest ihr hier: https://www.mitmischen.de/erleben/Ausbildung_Praktikum_Stipendium/PPP-Blog/Clara/index.jsp Schaut gerne rein!

See you soon,

eure Clara

Veröffentlicht von

Clara Merkel

Im März 2016 bin ich durch Erasmus+ für vier Wochen nach Venedig gegangen um dort in dem Atelier von Stefano Nicolao ein Praktikum zu absolvieren. In der Zeit habe ich angefangen meine Erfahrungen und Erlebnisse hier festzuhalten und zu teilen. Nach meiner Gesellenprüfung zur Schneiderin Fachrichtung Damen, die ich 2017 erfolgreich abschloss zog es mich wieder ins Ausland. Diesmal ging ich mit dem Parlamentarischen Patenschafts-Programm für ein Jahr nach St. Cloud in Minnesota. Dort studierte ich für ein Semester und arbeitete ansonsten als Änderungsschneiderin. Darauf folgten zwei Jahre Gesellenzeit am Paderborner Theater, inklusive der Erfahrung in Heimarbeit zu arbeiten. Seit Sommer 2020 lebe ich in Hamburg und absolviere meine Weiterbildung zur Gewandmeisterin. Das erste Jahr habe ich mittlerweile abgeschlossen und hoffe Sie mit durch das zweite Jahr zu nehmen. Viel Spaß beim lesen. Ihre Clara Merkel

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