Apprenticeships around the World

Als Verwaltungsfachangestellte in Tschechien – Elinor Müller

Die Planung

Die Frage, die ich vor meiner Abreise am häufigsten bekommen habe, war definitiv, warum ich ausgerechnet nach Prag möchte. Ich hatte das Gefühl, dass Prag sehr unscheinbar für viele Leute ist und die Menschen nicht wirklich etwas mit der tschechischen Hauptstadt verbinden. Meine Antwort auf die Frage liegt inzwischen schon über 4 Jahre zurück. 2020 wollte ich einen Kurzurlaub in Prag machen, da mein Opa sehr von der Stadt geschwärmt hat. Allerdings kam dann die Pandemie dazwischen und mit der Zeit, mit dem Anfang der Ausbildung und allem, was dazugehörte, habe ich dieses Reiseziel etwas aus den Augen verloren. Allerdings wusste ich, dass mein Ausbildungsbetrieb, die Handwerkskammer Kassel, das Erasmus+ Programm unterstützt und daher war mir klar, dass ich die Gelegenheit, ein Auslandspraktikum zu machen, definitiv wahrnehmen wollte. Und ich habe mich dazu entschieden, mein Reiseziel und das Auslandspraktikum miteinander zu Verbinden und das Praktikum also in Prag zu machen. Mit der Hilfe von Frau Adamsky, der Mobilitätsberaterin der Handwerkskammer Kassel, habe ich die Möglichkeit bekommen, in den Verwaltungen von 3 verschiedenen Schulen mein Praktikum zu absolvieren. Unterkunft und Fahrkarten waren dank des Zuschusses der Erasmus+ Förderung schnell gefunden und gebucht, so dass ich am 23.03.2024 die Reise antreten konnte.

Die Anreise, Unterkunft und ersten Erfahrungen in der „Goldenen Stadt“

Die Anreise verlief größtenteils, bis auf einen Gleiswechsel 2 Minuten vor Zugeinfahrt reibungslos. Am Hauptbahnhof in Prag angekommen, begann für mich eine kleine Odyssee, denn ich habe mich nicht zurechtgefunden, genauer gesagt habe ich nicht den Ort gefunden, an dem meine Tram Richtung Unterkunft abfährt. Nachdem ich also eine Weile herumgeirrt bin, habe ich den richtigen Bahnsteig gefunden und war am Samstag um ca. 20:30 Uhr an meiner Unterkunft angekommen.

Meine Unterkunft war das sogenannte „University Hotel“, welches zwar einen noblen Namen hat, allerdings nichts anderes als ein Studentenwohnheim ist. Es ist aber dem Preis entsprechend fair gewesen, denn ich hatte ein kleines Apartment mit Küchenzeile und eigenem Bad.

Den Sonntag hatte ich also genug Zeit, um schon mal die erste Erkundungstour zu machen. Ich bin also Richtung Hauptbahnhof gefahren und habe von dort aus einen großen Spaziergang gemacht.

Das Praktikum

Mein Praktikum war auf 3 Schulen aufgeteilt, in denen ich im Sekretariat bzw. im Büro gearbeitet habe. In der SKOLA EU PRAHA bin ich allerdings unter Anderem auch mit in den Unterricht gegangen. Das liegt daran, dass die Schule auf europäische Verwaltung  spezialisiert ist und ich somit den Unterricht, den ich sonst in der deutschen Berufsschule gemacht hätte, dort auf der SKOLA EU PRAHA miterleben konnte, denn die Themen haben sich teilweise überschnitten. Das Schulsystem in Tschechien ist nämlich anders aufgebaut als das in Deutschland: Es gibt hier keine duale Berufsausbildung. Das Oberstufengymnasium ersetzt sozusagen die Ausbildung. Die SchülerInnen sind also grundsätzlich Vollzeit-SchülerInnen und haben in der Zeit der Oberstufe ein 6-Wöchiges Praktikum, in welchem sie dann in dem von ihnen gewählten Bereich arbeiten. Außerdem haben die SchülerInnen zusätzlich die Möglichkeit, am Erasmus+ Programm teilzunehmen. Die SKOLA EU PRAHA hat kooperative Schulen und Betriebe in 3 deutschen Städten, in Rotenburg an der Wümme, Berlin und Weiden. Wenn man, wie in diesem Fall, also sein Abitur im Bereich Verwaltung macht, kann man anschließend direkt in der Verwaltung  arbeiten. Da es aber ein allgemeines Abitur mit Fachrichtung ist, könnte man auch alles Mögliche Andere studieren oder in jedem anderen Bereich anfangen zu arbeiten. Natürlich sind die Chancen aber größer, dass man genommen wird, wenn man in dem Bereich anfängt, in dem man das Abitur gemacht hat, da man dann noch individuellere Vorerfahrungen hat.

Jedenfalls war es für mich aus diesem Grund sehr interessant, in den Unterrichtsstunden mit dabei zu sein, und als es um Themen wie Steuern oder Arbeitnehmer-/Arbeitgeberrechte ging, habe ich mich nahezu gefühlt wie in meiner normalen Berufsschule. Abgesehen von dem Unterricht habe ich aber auch viel über das Bildungssystem und die Kompetenzverteilung der Verwaltung zwischen Schule und Staat erfahren, wie also beispielweise die Finanzierung der Schulen läuft, aber auch die Bewerbung und Einstellung von LehrerInnen. Es ist nämlich nicht so wie bei uns, dass LehrerInnen vom Staat eingesetzt werden dürfen, wo sie gerade gebraucht werden, sondern die LehrerInnen bewerben sich nach dem Studium direkt bei den Schulen und die Schulen haben selbst die Handlungskompetenz zu entscheiden, wen sie einstellen und wen nicht. Dies wird also nicht vom Staat bzw. von einem Schulamt kontrolliert, sondern die Schule ist dafür selbst verantwortlich.

An zwei weiteren Tagen habe ich an der Schule außerdem an einer Sprachkompetenzschulung teilgenommen. Dabei ging es um einfache Konversationen in der jeweils anderen Sprache, ebenso wie um Fachbegriffe im Bereich Verwaltung und um Telefonate im Arbeitskontext.

Im Thomas Mann Gymnasium, auf tschechisch Gymnázium Thomase Manna, bin ich dann auch mehr in das praktische Arbeiten gekommen.  Abgesehen von normalen, kleinen Aufgaben, die ich gemacht habe, wie z.B. Akten und Dokumente (aus-) sortieren und Unterlagen, bei denen die Verjährungsfrist abgelaufen ist, zu vernichten, habe ich auch einiges an Übersetzungs- und Kommunikationsarbeit gemacht. Da das Gymnasium eine bilinguale Schule mit Deutschunterricht ist, habe ich Bewerbungsanschreiben und Lebensläufe von Schülern, welche auf Deutsch verfasst waren, auf Vollständigkeit sowie grammatikalische Richtigkeit und Rechtschreibung kontrolliert. Ich habe zukünftige Deutschprüfungen sowie Lehrerleitfäden für Prüfungen kontrolliert und korrigiert. Da die Schule auch oft Austauschfahrten nach Deutschland macht, hatte ich außerdem die Aufgabe, eine Deutschlandkarte inklusive Bundesländer zu zeichnen und auszuschneiden, wo in Zukunft die Orte der Austauschklassen markiert werden. Was mir außerdem sehr viel Spaß gemacht hat, war die Erstellung von Postern über ein Programm zur Erstellung von Medien. Da ich mich durch meine Arbeit in der Handwerkskammer in der Stabstelle Kommunikation mit dem Programm bereits auskannte, war Pavla begeistert von den verschiedenen Postercollagen, die ich über das Programm von vergangenen Austauschfahrten erstellt habe. Die Poster habe ich dann im Schulgebäude aufgehangen. Außerdem habe ich (auch über dieses Programm) einen Infoflyer zum dualen BWL-Studium erstellt, welches die Schule in Kooperation mit deutschen Universitäten und Betrieben anbietet.

Außerdem war ich in der Střední průmyslová škola, auf deutsch die industrielle technische Sekundarschule. Dort habe ich mich größtenteils um Erasmusverträge gekümmert. Ich habe die Verträge berichtigt, auf den neuesten Stand gebracht und mit den jeweiligen Informationen der SchülerInnen und den Aufgabenbereichen fertig gestellt. Ich habe außerdem nach neuen Praktikumsstellen im Elektro- und Maschinenbaubereich in zwei deutschen Städten geschaut und diese möglichen Erasmus-Kooperationsbetriebe für die Schule in einer Liste zusammengefasst.

Sprache 

Nachdem ich eine ganze Weile über eine Sprachenlern-App tschechisch gelernt hatte, dachte ich, gut für die Zeit in Tschechien vorbereitet zu sein. Es stellte sich heraus, dass ich keine 3 Meter mit meinen tschechisch weit kam und doch meistens wieder auf Englisch gewechselt habe. Manchmal habe ich versucht, es durchzuziehen und einfach zu gucken, wann auffällt, dass ich die Sprache eigentlich gar nicht richtig beherrsche, und zumindest in den letzten 2 Wochen der Praktikumszeit konnte ich ohne Probleme auf Tschechisch einkaufen. Die einfachen Konversationen, wie woher ich komme, wie ich heiße und wie alt ich bin, konnte ich natürlich schon, die haben mir aber nicht geholfen, wenn ich von Jemandem auf Tschechisch gefragt wurde, wie lange ich noch in Prag bin oder ob ich schon Leute kennen gelernt habe. Tatsächlich fanden also die meisten Gespräche doch auf Englisch statt. Und wenn ich das mal so sagen darf, sprechen Tschechien besser Englisch als Deutsche, daher war es gar kein Problem, auch inhaltlich schwierigere oder tiefgehendere Gespräche auf Englisch zu führen.

Sightseeing

An den Wochenenden und Nachmittagen habe ich die Zeit meistens fürs Sightseeing genutzt. Da in der Zeit, in der ich in Prag war, auch noch an den meisten Tagen total gutes Wetter war, hat es sich  angeboten, die Zeit draußen, und nicht nur in Museen, Galerien und Burgen zu verbringen. Natürlich habe ich das auch gemacht, aber die verschiedenen Aussichtspunkte, die Moldau und die Altstadt haben es mir auch sehr angetan. Ich war außerdem bei zwei Führungen dabei, eine über den Untergrund von Prag, also über die Bunker, Kammern und Gänge die man erstmal weder sieht noch vermutet. Die andere Führung war durch das jüdische Viertel, da Prag eine lange, tiefgehende und interessante Geschichte dahingehend, was man nicht nur an den vielen Synagogen und dem Einfluss Franz Kafkas erkennen kann. An einem meiner letzten Tage war ich noch im Schmetterlingshaus Papilonia, um dem regnerischen Wetter von draußen zu entfliehen.

Highlights

Meine Highlights waren auf jeden Fall die Bootsfahrt auf der Moldau und die Aussicht von der Prager Burg. Es hat mich auch sehr gefreut, dass ich in Prag Kontakte knüpfen konnte, mit denen ich in meiner Freizeit etwas unternommen habe.

An den Schulen hat mir vor Allem die Administration und die Schulorganisation der SKOLA EU PRAHA gefallen. Außerdem waren sowohl die LehrerInnen als auch die SchülerInnen sehr offen und haben mir gerne auf alle Fragen bezüglich der Schule geantwortet. Außerdem war die Schule sehr interessant unter dem Aspekt, dass die SchülerInnen dort im Bereich Administration/Verwaltung unterrichtet werden und ich daher Parallelen zur Berufsschule ziehen konnte.

Abreise

Die Abreise lief leider nicht ganz so reibungslos wie es hätte sein können, da mein Zug ausgefallen ist und ich somit drei Mal umsteigen musste, und das mit (zu) viel Gepäck. Aber abgesehen davon kann ich die Deutsche Bahn gar nicht so sehr dafür kritisieren, da ich trotzdem nur eine 3/4 Stunde später als geplant um 19:30 Uhr in meiner Heimat ankam.

Fazit

Ich bin sehr glücklich mit meiner Entscheidung, nach Prag gegangen zu sein und auch damit, das Praktikum an den Schulen absolviert zu haben. Es hat mir einen ganz neuen Einblick auf die Arbeit und das Arbeitspensum der Schulverwaltung gegeben und ich konnte hinter die Kulissen des Sekretariats gucken, welches ich in meiner Schulzeit immer nur aus der Schülerperspektive betrachten konnte.

Prag ist eine wirklich schöne Stadt und mir haben die vier Wochen sehr viel Spaß gemacht. Die Leute sind größtenteils sehr zuvorkommend und die ganzen historischen Gebäude sind einfach total schön.

Ein Gedanke zu „Als Verwaltungsfachangestellte in Tschechien – Elinor Müller“

  1. Das freut mich sehr, dass Sie eine schöne Zeit in Prag hatten und viele positive Erfahrungen sammeln durften. 😎

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