Als deutsche Konditorin in Österreich
Wie beginne ich jetzt den Artikel hier? Am Besten ich fange ganz am Anfang an. Ich und einige weitere Auszubildende haben an dem Erasmus+ Programm der Handwerkskammer teilgenommen. Genauer gesagt waren wir 11 Leute davon waren 4 Bäcker/innen und 7 Konditorinnen. Für uns ging es für 4 Wochen nach Wien in Österreich. Unser Anreisetag war der 09.02.2020, ein Sonntag. Um 10 Uhr haben wir uns alle mit Gepäck am Bahnhof in Kassel-Wilhelmshöhe getroffen. Ja, wir sind tatsächlich mit dem Zug darunter gegurkt. Mit kleiner Verspätung kamen wir dann auch in Wien an und wurden freundlich von der Frau Antoniadi und ihrer Kollegin empfangen. Die Beiden haben uns dann zur Unterkunft begleitet, wenn auch über Umwege. In der Unterkunft angekommen haben wir ein paar Anweisungen für die Wohnung und den nächsten Tag bekommen und sind dann noch was essen gegangen, denn es war ja Sonntag. Das bedeutet, dass man ja nichts mehr einkaufen konnte. Und hier ein kleiner Tipp: Das Gasthaus Haller in Wien ist keine Empfehlung.
Aber so weit will ich garnicht ausschweifen. Eigentlich sind wir doch alle eher an den Erfahrungen im Betrieb interessiert und wie wir unseren Alltag gestaltet haben.
Den nächsten Morgen sind wir dann alle zur IFA ins Büro gefahren und wurden dort mit Informationen und wichtigen Hinweisen ausgestattet und dann in kleinen Gruppen von Mitarbeiterinnen zu unseren Betrieben gebracht. Ich hatte das Glück nicht alleine im Betrieb zu sein, denn eine andere Konditorin war mit mir da. Von welchem Betrieb rede ich hier eigentlich? Mein beziehungsweise unser Praktikumsbetrieb war L.Heiner K.u.K. Hofzuckerbäcker. Ich verzichte an dieser Stelle auf ausschweifende Details zum Betrieb, dass kann man ja bei Interesse ganz einfach googlen.
Der Erste Eindruck vom Betrieb
Kleiner Disclaimer am Anfang: Ich kann L.Heiner ja nur mit meinem Heimbetrieb in Deutschland vergleichen und demnach mag es für den einen oder anderen auch belanglos sein über welche Kleinigkeiten ich mich gefreut habe. Doch für mich war das eine ziemlich große Sache. Wie wir dort ankamen wurden wir schon erwartet. Da wir aber ziemlich spät waren, hat es sich für uns beide auch nicht gelohnt noch mit in die Arbeit einzusteigen. Doch der Backstubenleiter Herr Krapl war so freundlich und hat uns eine kleine Tour durch die Räumlichkeiten gegeben.
Für mich und auch meine Kollegin war das eine riesen Überwältigung durch diesen Betrieb zu schlendern, denn wir kannten es so nicht von Zuhause. Der Herr Krapl hat uns ein bisschen rumgeführt und dazu immer ein etwas erzählt. Ich war schon fast erschrocken über die Masse die dort hergestellt und mit welcher Liebe und Sorgfalt jedes einzelne Produkt dort hergestellt wird. Die machen dort alles selber. Von Marzipanrosen über Pralinen bis hin zu selbstgekochter Marmelade. Sowas kenne ich von Zuhause garnicht. Wir kaufen alles was Arbeit ist ein um Zeit zu sparen. Der Heiner ist davon natürlich das krasse Gegenteil. Nach der Führung haben wir noch einen Schrankt bekommen, wo wir all unsere Arbeitssachen lassen konnten und dann sind wir mit der Frau Antoniadi auch wieder zurück gefahren. Unsere erster Arbeitstag war demnach der Dienstag. Überraschenderweise musste fast keiner an diesem Tag arbeiten und alle waren schon wieder Daheim und wir konnten unsere ersten Eindrücke austauschen.
Aber zu einem WG-Leben, was wir ja ab da automatisch hatten wenn man mit 8 Leuten in einer Wohnung wohnt, gehört auch ein bisschen Organisation. Wer kommt wann nach Hause? Wie machen wir das mit dem Kochen? Kochen wir immer alle zusammen oder jeder für sich? All diese Fragen mussten erstmal geklärt werden. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten haben wir aber in der zweiten Woche schon eine Routine entwickelt gehabt.
Die ersten Tage als Zuckerbäckerin
Ich muss sagen, dass ich die ersten Tage bei L.Heiner ziemlich schwierig fand. Es schien fast so als gäbe es in den perfekten Abläufen keinen Platz für uns. Die ersten Tage habe ich am Plunder-Posten verbracht, was für mich schonmal ein riesen Ding war. Denn in meinem deutschen Betrieb machen die Bäcker die Plunder und ich bekomme nie die Möglichkeit dazu. Und das was wir in der Schule lernen hat nun wirklich nichts mit können zu tun. Die anfängliche Euphorie war dann aber recht schnell wieder verflogen, weil ich ca. 60% des ganzen Arbeitstages nur rumgestanden hab und den anderen beim arbeiten zu sehen musste. Obwohl ich ständig gefragt habe ob ich noch was helfen kann wurden mir nie Aufgaben zugeteilt, was es für mich sehr schwer gemacht hat Anschluss an alles zu bekommen. Es hat auch einige Tage gedauert bis ich wirklich mit eingebunden wurde und auch mal mitarbeiten durfte. Es war auch abhängig vom Posten, an dem ich gearbeitet habe, wie sehr ich eingebunden wurde. Manche Posten hatten mehr für mich zu tun als andere. Und mit der Zeit wusste man auch wo man Werkzeuge findet und wie die Arbeitsabläufe waren.
Meine Aufgaben:
- Torten-Posten: einsetzten und einstreichen von Torten mit und ohne Ring, ausgarnieren von Torten mit Schreibschokolade, Dekorieren von Torten mit Guss und Fondant, Füllen/Zusammensetzten/Schneiden von Kardinalschnitten
- Plunder-Posten: zubereiten von Hefefeinteigen, Tourieren von Hefefeinteigen mit Ziehfett, Herstellen/Füllen von süßen Plunderteilchen, Käsebäckerei. Herstellen von Weißbroten
- Sachertorten-Posten: Füllen und Einstreichen von Sachertorten, Überziehen von Torten mit Ganache, Modellieren von Marzipanfiguren
- Sacherpunsch-Posten: Herstellen von Sacherpunsch, gießen von Schokoladenauflegern, Herstellen von Schokoladenröllchen, Ausstechen von Marzipanfiguren, Füllen von Eclairs und Moccatörtchen
- Marzipan-Posten: Ausdekorieren keiner Casperköpfe, Arbeiten mit Massa Ticino
Was ich gelernt habe
Grundsätzlich kann ich ein Praktikum im Ausland wirklich jedem wärmstens empfehlen. Es erweitert den eigenen Horizont ungemein. Anfangs hatte ich Angst, dass ich eventuell nichts neues lernen würde, doch ich hab schon früh bemerkt, dass einfach das arbeiten in einem anderen Betrieb für mich eine große Bereicherung war. Die anderen Arbeiten und Abläufe, die anderen Produkte und die grundsätzliche Ruhe die die Mitarbeiter ausgestrahlt haben waren für mich schon Erkenntnis genug. Manchmal braucht man einfach einen Tapetenwechsel und ein paar neue Denkanstöße um im Leben weiter zu kommen. Zudem habe ich auch ein paar neue Möglichkeiten an Arbeitstechniken mitgenommen. Denn jeder Betrieb arbeitet anders und mit anderen Werkzeugen. Und das Umgehen mit anderen Menschen und bestimmten Situationen hat mich gestärkt.
Im großen und Ganzen habe ich mich sowohl in meinem Beruf als Konditorin als auch als Person weiterentwickelt und weiß jetzt besser Bescheid über mich und wie ich mit anderen Umgehe. Ich finde auch das WG-Leben war eine große Bereicherung für uns alle, denn wir haben gelernt mit Konflikten umzugehen und gemeinsam als Team Lösungen zu finden und Kompromisse einzugehen. Denn mit 8 Leuten unter einem Dach zu leben ist kein Zuckerschlecken (um bei den Zuckerbäckern zu bleiben).
Ganz wichtig ist natürlich zu erwähnen was man für tolle Menschen kennengelernt hat. Denn trotz der Reibereien habe ich 10 tolle Menschen kennengelernt, die jeder für sich besonders sind und die mich als Person geprägt haben.
Also mein Tipp an alle: Macht einfach! Wenn ihr eine Idee im Kopf habt – macht sie! Nur wer seine Komfortzone verlässt kann wachsen.
Wer immer tut was er schon kann, bleibt immer das was er schon ist.
Henry Ford