Apprenticeships around the World

Drinnen kälter als draußen in und um Reykjavik

Die zweite Arbeitswoche in Island fing genau dort an, wo die erste endete – an den großen Anlagen im Hühnerschlachthof. Nach 30 Zylindern hatte sich bei mir endlich eine Routine eingeschlichen und die Arbeit ging leichter von der Hand. Allerdings waren damit auch alle Verdichter abgearbeitet. Nach 5 Tagen mit den selben Aufgaben (und am selben Ort) war das aber auch okay.

Die Abwechslung ließ nicht lange auf sich warten. Die Aufgabe klang zwar vertraut – Kältemittel auffüllen – war aber nicht das eigentlich Interessante. Es ging zu einem Kühllager.


Etwa 10 Meter Deckenhöhe und -20°C Raumtemperatur

Und dort mussten wir hoch – samt Werkzeug und Kältemittel

 

 

 

 

Das einzige Hilfsmittel: Ein Seil

 

Oben angekommen bot sich ein bekanntes Bild, drei halbhermetische Hubkolbenverdichter, wie letzte Woche schon im Supermarkt. Vertrautes Terrain also. Während das Kältemittel in die Anlage gesogen wurde kümmerten wir uns noch um ein Automatiktor an der Kühlhalle, das nicht mehr zuverlässig öffnete und sich öfter in der Führungsschiene verhakte. Nachdem wir die Zugbänder nachjustiert hatten, war dieses Problem aus der Welt. Die mittlerweile geleerten Kältemittelflaschen wurden wieder abgelassen und ins Auto verladen. Dabei wies mich mein Kollege auf die Außeneinheit hin, an der am Folgetag nach einer Undichte gesucht werden sollte. Diese befand sich an der Hallenwand, ebenfalls in 10 Metern Höhe ohne irgendeine Zugangsmöglichkeit, daher wurde dafür eine Hebebühne bestellt.
Anschließend ging es weiter zu einem Supermarkt, in welchem die Salatbar regelmäßig vereiste. Nachdem wir die Fühler und Lüfter als Verursacher ausschließen und auch in der Programmierung keine Fehler finden konnten, bemerkten wir, dass die Luftgitter einfach durch Lebensmittelreste verklebt waren und dadurch der einwandfrei funktionierende Fühler nicht mit der kalten Luft versorgt werden konnte, die veranlasst hätte, die Anlage auszuschalten. Nachdem dieses gereinigt war, wiesen wir die Mitarbeiter darauf hin, in Zukunft auf den Zustand des Lüftungsgitters zu achten.
Außerdem gab es im Kassenbereich noch einen Getränkekühler, der nicht mehr funktionierte. Direkt beim Anschließen des Manometers fiel auf, dass hier definitiv Kältemittel fehlte, da die Drücke viel zu gering waren.
Also lautete die Aufgabe einmal mehr: Kältemittel aus dem Auto holen und auffüllen. Da aber noch ein Rest an Kältemittel in der Anlage war und es sich hierbei um eine Kapillarrohr-Anlage handelte erklärte mir mein Vorgesetzter, wie ich ohne das Kältemittel abzuwiegen die Anlage korrekt befüllen kann. Dazu musste ich mir nur Gedanken über die Umgebungs- und die gewünschte Trinktemperatur der Cola im Kühler machen. Beim Abklemmen des Manometers fiel mir direkt auf, weshalb die Anlage nicht mehr funktioniert hatte. Ein Schraderventil war locker. Dieses wieder angezogen, wird die Anlage jetzt hoffentlich wieder sehr lange problemlos laufen können.

Am nächsten Tag ging es mit einem Kollegen los, der gerade von der Arbeit auf den Färöer Inseln zurückgekehrt war. Erste Station war eine Schulkantine, in der der Tiefkühlschrank nicht mehr richtig funktionierte. Grund dafür war, dass er überfüllt war und somit die kalte Luft nicht mehr in das Innere des Kühlschranks gelangen konnte, da die Lebensmittel bis an das Lüftergitter gestapelt waren. Wir enteisten den Verdampfer und machten uns auf zu einer Eisdiele, bei der wir ausnahmsweise keine Aufgabe hatten, die mit Kälte zu tun hatte. Ein Schlauch der Spülmaschine war defekt und wurde kurzum getauscht.
Folgend kam noch die Meldung, dass im Kühllager eines Supermarkts der Boden vereist war. Die unheilvolle Nachricht ließ uns das Schlimmste vermuten: Ein komplett vereister Verdampfer und/oder ein verstopfter Siphon an der Kondensatwanne.

 In der Tat bewahrheitete sich dieser Verdacht auch.

 

 

 

 

 

Mit Hammer und Meißel ging es dem Eis an den Kragen

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach knapp 2 Stunden schweißtreibender Arbeit im Tiefkühlraum hatten wir den Verdampfer vom Eis befreit und eine neue Siphon-Heizung eingebaut. Nun war aber wirklich Zeit fürs Wochenende.

Als ich meinem Chef ein schönes Wochenende wünschen wollte, fragte er mich, ob ich denn einen Firmenwagen haben möchte. Auf die Frage wofür antwortete er, dass ich doch etwas vom Land sehen solle und das Auto gern auch Privat nutzen dürfe. Das habe ich mir natürlich nicht zweimal sagen lassen und bin in der selben Nacht noch an den Fuß eines Vulkans vor Hafnarfjörður gefahren, da die Chancen für Nordlichter recht gut standen. Was soll ich sagen, es hat sich gelohnt!

Die erste von vier Wochen in Island

Nach langer Vorfreude war es vergangenen Sonntag endlich so weit. Gegen 14 Uhr Ortszeit (also eine Stunde früher als in Deutschland) setzte die Maschine zum Landeanflug an und nach den 4 Stunden Blindflug von Wolke zu Wolke klarte es das erste mal auf und es bot sich ein atemberaubender Blick auf die Landschaft direkt vor Keflavik – dem größten Flughafen Islands.

Jetzt mag man sich gerade bei diesem Anblick fragen, wozu brauchen die Isländer Mechatroniker für Kältetechnik? Dazu aber später mehr.

Víðar, ein Mitarbeiter des Bildungszentrums IÐAN hat mich netterweise am Hotel Viking (Fjörukráin) abgeholt und zu meinem Hostel in Hafnarfjörður gebracht. Die Stadt liegt direkt südlich von Reykjavík. Am nächsten Morgen hat mir Víðar dann die wichtigsten Orte in der Stadt gezeigt, unter anderem relevante Bushaltestellen, das Stadtzentrum und zwei seiner liebsten Bäder.
Anschließend ging es weiter nach Reykjavík. Dort gab es quasi Sightseeing im Schnelldurchlauf, sowie einen Zwischenstopp mit Kaffee und einem Snack bei IÐAN. Als letzter Punkt auf der Tagesordnung brachte Víðar mich zu meiner Arbeitsstelle, der Firma Frost im Gewerbegebiet, direkt um die Ecke meines Hostels.

Ungewöhnlich aber sofort als gut befunden habe ich die Tatsache, dass nicht nur im Hostel sondern auch auf der Arbeit die Schuhe direkt nach der Eingangstür ausgezogen werden und im Büro, dem Aufenthaltsraum und der Küche nur Haus- oder eben gar keine Schuhe getragen werden.

Wie der Zufall es will gibt es unter meinen Kollegen einen Schweizer, der letztes Jahr angefangen hat für die Firma auf Island zu arbeiten. Ihn durfte ich auch direkt die ersten 2 Tage begleiten. Wir haben in verschiedenen Supermarkt-ketten Kühltheken enteist und bei zwei Anlagen Kältemittel aufgefüllt, damit diese wieder zuverlässig arbeiten können.


Abgesehen von der Größe (Werkzeug vorn als Größenvergleich) war das nichts neues für mich

Kurz darauf ging es aber ans Eingemachte. Ein anderer Kollege meinte am nächsten Tag, dass ich ihn jetzt die restliche Woche unterstützen soll, es ginge auf einen Schlachthof. 10.000 Hühnchen soll es da jeden Tag an den Kragen gehen.


Während des Betriebs wollte ich nicht unbedingt ein Foto machen

Damit das Fleisch auch direkt gekühlt und/oder gefroren werden kann stehen im Maschinenraum sechs große Verdichter.

Unsere Aufgabe? Eine 10.000h-Wartung. Nach 10.000 Betriebsstunden muss ein Ölwechsel gemacht werden und so ziemlich sämtliche Dichtungen getauscht werden. Gerade beim öffnen der Anlage sagt mir mein Kollege: „Don’t breath!“
Was er meinte, war ich sollte nicht tief einatmen, da sich gerade in diesem Augenblick die Reste des Ammoniaks (das Kältemittel dieser Anlage – R717) verflüchtigten und ein beißender Geruch wahrnehmbar war.

Ein Zylinder war beschädigt und musste wieder plan geschliffen werden, damit es nicht zu Folgeschäden an der Anlage kommt.

Alles gereinigt, von Ablagerungen befreit, neu geölt und mit neuen Dichtungen versehen wurde Verdichter Nummer eins wieder zusammengesetzt.

Anschließend wurde er noch entlüftet. Das soll heißen, er wurde einmal mit Ammoniak gefüllt und dieses dann abgelassen um die Fremdgase (Luft) loszuwerden. Folgend mussten wir warten, bis das Öl Betriebstemperatur erreicht hatte, was zu unser beider Freude hieß: Kaffee trinken!

Bei der Gelegenheit wollte ich mehr über die Anlage erfahren, an der wir arbeiteten. Gespräche waren dank Gehörschutz nämlich bisher Mangelware. Als ich über die drei Tonnen Ammoniak im Kreislauf nicht schlecht gestaunt hatte, wurde ich belächelt und hinzugefügt, dass es sich hier um eine kleine Anlage handele. Mir wurden noch ein paar Bilder von neuen Anlagen in Norwegen gezeigt, bei denen es bis nahe an die 100 Tonnen Ammoniak reichte.
Nach der Inbetriebnahme des Verdichters warteten wir noch, bis die Sauggastemperatur von -40°C erreicht wurde. Und genau diese -40°C  sind der Grund, wieso man sogar in Island Kältetechniker braucht!

So ging eine spannende Arbeitswoche für mich zu Ende und ich hatte endlich die Zeit mir die Gegend rund um Hafnarfjörður anzuschauen, Bouldern zu gehen und natürlich die Seele in einem Bad baumeln zu lassen.

In diesem Sinne:

Liebe Grüße

Felix