Apprenticeships around the World

Wenn das Heimweh anklopft

Die erste Heimwehwelle hat mich ziemlich unerwartet überrollt, aber zum Glück nicht weggeschwemmt. Ich habe in den letzten Wochen so unheimlich viel erlebt und mich gut eingelebt, dass ich für den Gedanken ob ich Deutschland vermisse gar keinen Platz in meinem Kopf hatte. Nicht dass ihr jetzt denkt, dass ich Deutschland gar nicht vermisse, aber hier ist es auch schön. Ich wollte einfach gerne jedem zeigen, wie ich hier jetzt lebe. Es war für mich einfach das Gefühl umgezogen zu sein und jetzt in einer neuen Stadt zu leben. Dass im Moment ein Ozean zwischen Freunden und Familie und mir liegt habe ich bisher noch nicht kapiert.

Die letzten drei Jahre habe ich in Kassel gelebt. Das sind mit dem ICE zwanzig Minuten von meiner Heimatstadt Göttingen. Wenn alle Stricke rissen und ich mich nur noch zu Hause wohlgefühlt habe, bin ich auch mal für nur eine Nacht zu meinen Eltern gefahren. Sehr spontan meistens. Den letzten Monat bevor ich in die USA ausgereist bin habe ich auch in Göttingen verbracht.

Der pazifische Ozean in San Francisco

Als ich vor vier Jahren nach dem Abitur von zu Hause ausgezogen bin, hat es zwei Monate gebraucht, bis ich wieder Lust darauf hatte nach Hause zu fahren. Im Moment ist es ähnlich. Ich habe mich unter anderem auch auf den Weg in die USA gemacht, weil ich endlich mal wieder etwas neues und ungewohntes sehen wollte. Das hat geklappt. Was nicht so gut geklappt hat war sich innerlich darauf vorzubereiten, dass der diesjährige Geburtstag anders ausfallen würde wie gewohnt.

An sich ein toller Tag, den ich wirklich genossen habe und an dem ich Spaß hatte. So sehr, dass ich erst abends als die ganze Aufregung darüber vorbei bemerkt habe, wie sehr mir meine Familie und der alljährliche Schokokuchen mit Kerzen gefehlt hat. Für mich war es wirklich ganz anders als sonst.

Mein Geburtstag ist der 3. Oktober, Tag der deutschen Einheit. In Deutschland also ein Feiertag. In Amerika halt einfach ein Dienstag mit Schule, Arbeit und Cross Country. Vielen lachen mich gerne aus, wenn ich frage, wie das ist am eigenen Geburtstag arbeiten zu müssen, oder in die Schule zu gehen. Jetzt weiß ich es selber: man kann es ertragen, ist aber trotzdem komisch und ich freue mich auf das nächste Jahr in dem es Kuchen von Mama und das lauteste Geburtstagsständchen von der ganzen Familie gibt.

Heimweh ist ein komisches Gefühl. Ich könnte da lachen und weinen zur gleichen Zeit. Es ist unglaublich schön hier und ich freue mich hier sein zu können und das alles erleben zu dürfen. Manchmal glaube ich vor Glück fast zu platzen und ich weiß gar nicht wohin mit all den Glücksgefühlen. Und dann möchte ich einfach nur in Tränen ausbrechen, weil ich mich unglaublich einsam fühle und jetzt nicht die Umarmung von meiner Familie bekommen kann, die ich gerne hätte.

„The Mission“: Das älteste Bild in dieser Straße

Ich hatte zum Glück nicht viel Zeit um mich vom Heimweh mitnehmen zu lassen, denn ich hatte Flüge nach San Francisco gebucht. Das letzte Wochenende habe ich also bei einer alten Bekannten verbracht. Kerry hat selber vor dreizehn Jahren ein Jahr im Ausland und zwar in Deutschland in meiner Heimatstadt verbracht. Leider ist der Kontakt verloren gegangen, aber dank meiner großen Schwester wiedergefunden worden. Also habe ich mich vergangen Donnerstag auf den Weg zum Flughafen gemacht und mir zunächst die Stadt bei Nacht und aus der Luft angeschaut. Es ist ein unglaublicher Anblick, der sich da einem bietet. Es schaut aus wie der Sternenhimmel, nur halt unter einem. Den gleichen Anblick kann wunderbar von den Twin Peaks genießen. Die zwei Hügel liegen etwa im Zentrum der Stadt San Francisco. Man hat also eine schöne Rundum Ansicht auf die Stadt, die Bucht und das Meer.

Auf unserem Programm standen die Cable Cars, Alcatraz, die Golden Gate Bridge und „La Traviata“ in der San Francisco Opera. Seitdem ich vor vielen Jahren zum ersten Mal „Pretty Woman“ gesehen habe, wollte ich immer mal in die San Francisco Opera und es war mit das Beste, was ich an diesem Wochenende erlebt habe. In Deutschland bekommt man selten Inszenierungen zu Gesicht, die von Anfang bis Ende in historischen Kostümen gespielt werden. Und genau das bekommt man in San Francisco zu sehen inklusive historisch korrekten Räumlichkeiten. Einfach eine zauberhafte Welt die von Verdis Musik wunderbar umrahmt wird.

San Francisco ist zum Glück nicht wie New York. Man braucht zwar auch furchtbar lange um von einem Punkt zum anderen zum anderen zu kommen, aber es liegt nicht diese Hektik in der Stadt, die ich in New York sehr anstrengend fand. Auch die Häuser und das Ambiente hat mich mehr an eine Mixtur aus Europa und Mittelamerika erinnert. Es gibt nur wenige Wolkenkratzer in San Francisco, und dadurch auch wenig Gebäude aus grauem Beton und Glas. Besonders sehenswert sind die sogenannten „Painted Ladies“. Sie sind durch die Serie „Full house“ bekannt geworden, aber abgesehen davon einfach die schönsten Häuser der Stadt.

„Painted Ladies“ mit Downtown im Hintergrund

Ein anderer sehenswerter Ort sind die bemalten Wände in dem Viertel „The Mission“. Man findet die ein oder andere bemalte Wand in dem ganzen Viertel aber eine Straße ist wie eine Open-Air Gemäldegalerie. Ein Bild neben dem anderen und sie werden regelmäßig übermalt und es entstehen jede Menge neue Bilder. „The Mission“ ist ein sehr internationales Viertel. Dort trifft man auf Mexikaner, Vietnamesen, Japaner, Deutsche, Franzosen und auch auf Amerikaner. Wer schon einmal dort ist sollte auf jeden Fall bei der „bi-rite Creamery“ vorbeischauen und sich eine ihre ungewöhnlichen Eissorten aussuchen. Dort gibt es eigentlich alles von Olivenöl-Eis bis Salted-Caramel und Kürbiseis. Wenn man dann doch mal die deutsche Küche vermisst, so wie ich vergangene Woche dann lohnt sich ein Besuch im „Schmidt’s“. Dort bekommt man Wurstplatten, Schnitzel mit Spätzle und sehr leckeren Leberkäse. Und dabei ist es kein billiger Abklatsch, sondern wirklich gut!

Ich im „Schmidt‘s“

„Castro“ ist bekannt, weil es die Homosexuellenszene in San Francisco ist. Außerdem haben hier bekannte homosexuelle Literaten wie „Gertrude Stein“ und „Tennessee Williams“ gelebt und gewirkt. Das Viertel grenzt an „The Mission“ und ist alternativ angehaucht. Es ist das erste Mal das ich einen Laden an dem nächsten sehe, seitdem ich hier in den USA bin. Es gibt mir das Gefühl in einer Fußgängerzone unterwegs zu sein und einfach mal von Laden zu Laden zu bummeln. Eigentlich unüblich in den USA.

Ein sehr interessantes Erlebnis war für mich der Besuch auf der Gefängnis-Insel „Alcatraz“. Ich habe nie einen Film darüber oder einen der Insassen gesehen, aber ich hatte davon gehört und wollte es gerne sehen. Man kann dort themengebundene Führungen machen, wie zum Beispiel zu „Al Capone“ oder „die Insel als Naturschutzgebiet“. Kerry und ich haben uns für die einfache Tour mit dem Audio-Guide entschieden. Man wird etwa sechzig Minuten durch alle Teile des Gefängnisses geführt und hört Geschichten über berühmte Insassen wie den „Birdman“, „Machine Gun Kelly oder „Ol’Creepy Karpis“, verschiedenste Fluchtversuche und wie es für die Kinder der Wärter war auf der Insel aufzuwachsen. Alcatraz liegt etwa zwei Kilometer von der Stadt entfernt. Gerade nah genug um am Silvesterabend, die Musik und das Gelächter der feiernden Stadt zu hören aber weit genug entfernt um nicht fliehen zu können, weil man die Strecke in dem kalten Wasser nicht überlebt.

Die meisten Touristen kommen nach Alcatraz um diese Geschichten zu hören. Es gibt aber auch eine Geschichte nachdem das Gefängnis 1963 geschlossen wurde und die man immer noch sehen kann. Im Jahr 1968 haben Indianer verschiedener Stämme die Insel besetzt. Sie wollten damit auf ihre Situation aufmerksam machen: die amerikanische Regierung hat ihnen nach und nach immer mehr Land weggenommen und sie in Reservate umgesiedelt. Ganze achtzehn Monate blieben sie auf der Insel. Die Regierung reagierte indem sie ein Teil der Länder an verschieden Indianerstämme zurückgab. Leide wird in der Führung nicht darüber gesprochen. Man kann es durch Tafeln an den Wänden lesen und ein kleiner Teil des Einführungsfilmes zeigt Bilder aus diesen Tagen.

Die rote Schrift stammt von der Besetzung 1968

Ich bin froh, dass ich nach San Francisco fliegen konnte und dadurch über das Heimweh weggekommen bin. Während meiner ersten Woche an der St. Cloud State University, hat unsere Betreuerin uns eingebläut, gerade in diesen Momenten aus dem Zimmer rauszugehen und andere Menschen zu sehen. Dafür zu sorgen, dass man beschäftigt ist und etwas erlebt. Ich weiß aber auch, dass es okay ist Heimweh zu haben, das zeigt mir, dass ich immer gerne zu Hause war und dass es besonders schön wird, wenn ich meiner Familie und Freunde nächstes Jahr wiedersehe!

See you soon,

Eure Clara

Amerika – das Land der ungeahnten Möglichkeiten…

…oder so

Ein Freund hat mich neulich nach Unterschieden zwischen den USA und Deutschland gefragt. Als Antwort habe ich ihm einen Link meiner Blogs geschickt und angefangen über St. Cloud nachzudenken. Ich denke ich habe schon den ein, oder anderen, Unterschied aufgeführt, aber ich habe festgestellt, dass ich eigentlich noch nicht von dem Ort erzählt habe, in dem ich lebe.

Nach den anstrengenden Tagen in New York im August, war ich unglaublich froh nach St. Cloud zukommen. Die Stadt liegt etwa eine sechzig minütige Autofahrt, nordwestlich von den Twincities Minneapolis und St. Paul entfernt. Es ist eine ruhige Stadt mit etwa 65.000 Einwohnern. Von New York aus bin ich, gemeinsam mit einer anderen Teilnehmerin meines Programms, zunächst nach Minneapolis geflogen. Von dort ging es weiter an meinen Platzierungsort. Der Highway von den Twincities nach St. Cloud führt durch eine flache unendlich weite Landschaft, die hier und da mal von Billboards oder einem Autohändler unterbrochen wird. Ansonsten ist weit und breit nichts zu sehen, vielleicht mal ein schillernder See. Trotzdem habe ich mich keine Sekunde erschrocken gefragt, wo ich denn hier gelandet bin. Ich habe es nach den paar Tagen, Betonwüste einfach nur genossen und mich sofort wohlgefühlt. Und das tue ich jetzt auch noch.

Der Mississippi-River in St. Cloud

Mir sind auch die Zuggleise aufgefallen, die vom Süden des Staates in den Norden führen. Vielleicht gibt es auch noch mehr, aber von der Bahn wird hier wenig gesprochen. Es ist kein so präsentes Transportmittel, wie in Deutschland. Tatsächlich vermeidet es jeder Amerikaner, der pünktlich woanders sein möchte, den Zug zu nehmen. Jeder Zweite von euch wird jetzt sicher denken, dass auch jeder Deutsche, der pünktlich an einem anderen Ort sein möchte, es vermeidet die Deutsche Bahn zu nehmen. Aber in Deutschland gibt es verhältnismäßig selten Verspätungen von drei Stunden oder mehr. Beziehungsweise, wenn es doch mal so weit kommt, gibt die deutsche Bahn sich in der Regel allergrößte Mühe einen Schienenersatzverkehr zu organisieren. In Amerika gehören die Bahnlinien den Ölfirmen. Das heißt in der Regel wird jedem Güterzug Vorrang gewährt und Personenzüge stehen hinten an und gelegentlich auch mehrere Stunden auf den Gleisen. Mittlerweile habe ich auch den Bahnhof von St. Cloud gefunden. Claudia und ich konnte gar nicht glauben, dass es einer ist, weil er mehr wie eine Bushaltestelle ausschaut. Ich denke das ist ein wichtiger Unterschied.

Am Zielort angekommen, war ich glücklich die Überschaubarkeit der Stadt zu bemerken. Mit meiner Gastmutter habe ich jede Buslinie ausfindig gemacht, die direkt vor unserem Haus abfährt und mein Gastvater hat direkt ein Fahrrad für mich repariert. Ich kann hier gut Fahrrad fahren und mit dem Bus zum Campus ist auch kein Problem. Zumindest tagsüber nicht. Sobald es hier dunkel ist, wir einem davon abgeraten zu Fuß, oder mit dem Rad unterwegs zu sein. Das macht das Nachhause kommen allerdings schwer, da der Stadtbus nur bis neun Uhr abends fährt. Am Wochenende wird es noch schwerer unabhängig unterwegs zu sein. Aber um anzukommen war es genau das richtige für mich, weil es dem, wie ich mich in einer deutschen Stadt bewegt habe, gleichkam.

Egal wo man ist, es ist schwer keine Flagge zu sehen.

Trotzdem besitze ich mittlerweile ein Auto. Ich habe schnell gemerkt, dass es ohne schwer geht. Ja ich bin hauptsächlich hier um zu studieren und zu arbeiten, aber ich möchte auch diesen unheimlich schönen Staat Minnesota kennenlernen und das ohne abhängig von jemand anderem zu sein. Ohne Auto kann man hier nicht spontan sagen: „Ich fahr jetzt los an den See.“ Es erleichtert aber auch den Alltag mit meinen Gasteltern. Wenn ich abends länger wegbleibe, machen sie sich jetzt keine Sorgen mehr, weil sie wissen, wie ich nach Hause komme. Und sie wissen, dass ich auch mal meinen Gastbruder Will abholen kann, wenn sie es nicht schaffen.

Es erscheint mir so als ob die Menschen hier in Minnesota nicht frieren. Langsam wird es Herbst und ich fange an mich immer wärmer anzuziehen. Besonders wenn ich in die Bibliothek gehe achte ich darauf noch eine Schicht mehr anzuziehen, weil die Klimaanlage unnormal kalt ist. Während ich mir also eine Schicht nach der anderen anziehe und mich frage wie ich das im Winter noch toppen soll, scheint es so als würden die Minnesotan gar nicht bemerken, dass die Luft frischer wird und sie laufen herum, wie an dem heißesten Tag, den ich hier bisher erlebt habe: in Shorts und T-Shirt. Der Winter in Minnesota könnte eine Herausforderung für mich werden, er verspricht aber auch weiße Weihnachten, zugefrorene Seen und viel Wind. Da Minnesota ein sehr flaches Land ist, fegt der Wind hier nur so durch.

Typische Straße im Wohnviertel

Die Städte, die ich bisher kennen gelernt habe sind ebenfalls anders aufgebaut, als ich es von zuhause gewohnt bin. Tatsächlich ist es schwer sich in einer amerikanischen Stadt zu verlaufen, weil alle Straßen schnurgerade und in rechten Winkeln zu einander verlaufen. Sie sind eben auf einem Reisbrett entworfen worden. St. Cloud ist um eine Straße herum aufgebaut: St. Germain Avenue. Sie ist vergleichbar mit einer Fußgängerzone. Es gibt einige Restaurants, ein zwei Läden und das Paramount Theater. Belebt ist diese Straße trotzdem nicht. Um sie herum ranken sich zunächst Bankfilialen und dann kommen Wohnhäuser. Das Leben tobt am Shopstrip und in der Mall am Rand der Stadt. Ich habe noch nie so große Parkplätze gesehen wie dort, die eigentlich immer bevölkert sind. Um von einem Laden zum nächsten zu kommen fährt man, selbst wenn es nur auf der anderen Seite des Parkplatzes ist. Es ist einfach ein Industriegebiet, es hat keine angenehme Atmosphäre in der man gerne einkaufen geht. Ich möchte dort gerne alles schnell erledigen um dann wieder an den Mississippi sitzen zu können!

Das sind die Unterschiede, die einem hier direkt auffallen, die man nicht hervorholen muss, die man durch Gespräche herausfindet. Es sind die offensichtlichen Unterschiede.

Was mich auf politischer Ebene beschäftigt und welchen Unterschied ich in dem Bereich bisher erlebt habe, lest ihr hier: https://www.mitmischen.de/erleben/Ausbildung_Praktikum_Stipendium/PPP-Blog/Clara/index.jsp Schaut gerne rein!

See you soon,

eure Clara

„Calm Down Mother“

Ich habe seit langem nicht mehr so intensiv über meinen Beruf nachgedacht, wie in den letzten Tagen. Während meiner Ausbildung, wurde für mich immer klarer, dass ich in der Kostümabteilung eines Theaters gut aufgehoben bin. Aber ich habe mich nie getraut in Erwägung zu ziehen, dass Kostüm- oder Bühnenbild, geschweige denn Regie ein Feld für mich wären. Also warum darüber nachdenken, wie man ein Stück gestalten, also inszenieren könnte?

In den letzten Wochen habe ich mich anders mit dem Theater auseinandergesetzt, als ich es in meiner Ausbildung oder Schulzeit getan habe. Viel intensiver und offener gedacht. Durch meine Fächer wird meine Kreativität endlich mal wieder etwas angeschubst. Die Vorstellungskraft ist aktiviert und es entstehen Bilder beim Lesen eines Textes.

Women 1, 2 & 3

Wenn ich also ein Stück auf die Bühne bringen würde, wäre es im Moment „Calm Down Mother“ von Megan Terry aus dem Jahr 1965. Ein feministisches Stück, ohne dabei aufdringlich zu sein! Eigentlich müsste an dieser Stelle eine Zusammenfassung folgen, die den Inhalt knapp wiedergibt. Aber es ist kein klassisches Stück, es gibt keinen klassischen Spannungsbogen mit Höhepunkt. „Calm Down Mother“ besteht aus elf Szenen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Es braucht drei Darstellerinnen, die viele Rollen übernehmen. In manchen Szenen sind sie als namenlose Frauen zu sehen. Sich mit ihren Charakteren zu identifizieren fällt leicht, gerade weil sie namenlos sind. Jeder Mensch könnte sagen und denken, was sie ausdrücken. Gedanken im Raum.

Die Momente zwischen diesen Episoden, stellen Momente aus dem Leben von unterschiedlichen Frauen dar. Eine Tochter, die mit ihrer konservativen Mutter über Verhütung diskutiert. Zwei frustrierte Seniorinnen. Drei Callgirls. Aber alle Szenen haben eines gemeinsam: Sie stellen sich den Fragen, was eine Frau ausmacht, was ihre Aufgabe im Leben ist! Sind wir Gebärmaschinen, oder dürfen wir selber entscheiden, wer wir sein möchten?

In unserer heutigen Welt mag das überspitzt wirken, Verhütung ist mittlerweile ein gesellschaftsfähiges Thema und Frauen dürfen den Beruf ausüben, den sie sich aussuchen. Und vielleicht würde diese Form, die sich Megan Terry für ihr stück ausgesucht hat, auch nicht mehr schocken, haben wir doch schon so viel abstraktes zu Gesicht bekommen. In den sechziger Jahren war dieses Stück revolutionär. Es hält sich nicht an die von Aristoteles vorgegebenen Regeln. Es handelt sich um ein Theaterstück von einer Frau, mit Frauen, über Frauen und FÜR Frauen. Und DAS in einer Männerdomäne wie dem Theater!

Letzte Szene: Sue und Mum

Tatsächlich ist es ein weiches Stück, angenehm in einer wunderbar eleganten Sprache geschrieben. Anders als man es im ersten Moment von einer feministischen Stückeschreiberin erwartet. Trotzdem geht es unter die Haut und erzeugt einen Nachhall im Kopf, der zum Nachdenken einlädt. Das Stück hat etwas poetisches und einen Rhythmus, der einen mitnimmt. Gerade die Schlichtheit mancher Szenen macht sie besonders eindringlich und genauso würde ich es inszenieren. Zurückhaltend in Kostüm- und Bühnenbild, dass der Text und die Personen in den Vordergrund rücken. Der Text, teils im Chor gesprochen, bringt die drei Darstellerinnen enger zusammen und erzeugt ein Gruppengefühl, bei dem aber jeder immer noch individuell bleibt.

Wenn man die Individualität der einzelnen Personen herausstellen möchte, könnte man meinen, dass man einfach jedem Charakter dieses Stückes ein eigenes Kostüm anzieht. Das bedeutet dreiunddreißig Kostüme und schnelle Umzüge. Die Umzüge können machbar gemacht werden, das habe ich schon im Göttinger Theater zu sehen bekommen („Irrungen, Wirrungen“ nach T. Fontane, Spielzeit 16/17). Das man für eine kleine Produktion dreiunddreißig Kostüme zusammen bekommt ist fraglich. Tatsächlich braucht das Stück die auch gar nicht, da ich der Meinung bin, dass es von den Texten lebt. Ich möchte in den Mittelpunkt stellen, dass man sich mit diesen Charakteren identifizieren kann, dass man sich in sie hineinversetzen kann. Und dazu braucht es, wie ich finde eine neutrale Hülle. Ein hautfarbener oder unifarbener Body auf den man weitere Kostüme aufbauen kann. Ein Herrenhemd für ein Callgirl, ein schlichtes Etuikleid für die konservative Mutter und Shorts für die rebellische Tochter.

Es wäre eher Sprechtheater als eine unglaubliche Show. Aber gerade das ist es, was es doch eindringlich machen kann. wie auch immer, würde ich „Calm Down Mother“ gerne einmal auf der Bühne sehen.

Ich dachte während meiner Ausbildung, dass ich mit meiner Gesellenprüfung beruflich ankommen würde. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass ich in den letzten drei Jahren solide Grundsteine gelegt habe, auf denen ich weiteraufbauen kann. Und ich bin sehr neugierig, was da noch kommt, auf jeden Fall steht mir im Moment alles offen.

See you soon,

eure Clara

Los geht’s! Studium 1.0

Ein wichtiges Schild hier in Amerika. Man findet es am Theater, an Kirchen und natürlich auch bei der Social Security Administration

21. August

Bei der Social Security Administration ist es so, wie ich es in Deutschland noch nie erlebt habe! Die Behörde öffnet offiziell um neun Uhr. Der Rat meiner Gastmutter? „Sei spätestens um 8.30 am da!“ Und sie hat Recht! Um halb neun beginnt sich langsam eine Schlange vor der Tür zu bilden. Als ich komme ist nur eine einzige Person da, sie sitzt noch in ihrem Auto, kommt aber schnell heraus um klarzustellen, dass sie die erste da war. Es kommen noch einige dazu, bis etwa fünfzehn Menschen vor der Tür warten.

8.45 am

Ein Officer öffnet die Tür und gibt eine schnelle Sicherheitseinweisung: keine Handys, keine Video- oder Tonaufnahmen, kein Facebook, kein Snapchat oder Instagram, außerdem keine Waffen, wie Messer oder Pistolen. Sollte er einen herrenlosen Rucksack oder eine Tasche entdecken, werde er sofort ein SWAT-Team rufen, weil er ja nicht weiß, was darin ist.

Damit sind die Türen für den Check-In geöffnet: Man zieht eine Nummer und ich bin die zweite von etwa dreißig Leuten! Meine Hoffnung wächst, dass ich schnell wieder draußen bin.

Ein Ausschnitt aus der Komödie Lysistrata von Aristophanes

9.00 am

Eine erneute Sicherheitseinweisung! Quintessenz des Ganzen ist absolute Stille im Raum. Und dann verpufft meine Hoffnung zügig dran zu kommen. Meine Nummer ist A415, die erste die aufgerufen wird ist aber A422. Ein Raunen geht durch den Raum und die Erklärung vom Officer kommt prompt: „Hier wird nicht in der richtigen Reihenfolge aufgerufen!“

Tatsächlich komme ich dann doch recht schnell an die Reihe. Die Dame hinterm Tisch ist freundlich und weiß auch sofort Bescheid um was es hier geht, so dass es nicht lange braucht, bis ich wieder gehen kann.

Sicherheit ist, wie ich im letzten Artikel schon beschrieben habe (https://handwerk-auf-reise.hwk-kassel.de/2017/08/22/im-a-husky-now/), ein großes Thema. Das habe ich in dieser, aber auch schon in einer anderen, Behörde in St. Cloud bemerkt.

So bin ich vor vier Wochen in meine erste Semesterwoche gestartet. Ich habe drei Fächer gewählt: „Introduction to Theatre“, „Women & Sexuality in Theatre“ und natürlich „Costume Construction“. Von meinem Programm wird vorgegeben, dass ich sechs von meinen neun Credits für berufsbezogene Fächer verwenden soll. Da ich meine Ausbildung zur Damenmaßscheiderin an einem Theater absolviert habe, denke ich, dass alle drei Fächer mit meinem Beruf zu tun haben. Im Rahmen von zwei Fächern werde ich zudem auch praktisch arbeiten und Zeit in dem Collegeeigenen Theater verbringen.

Alles dreht sich jetzt ums Theater und ich merke immer mehr, dass das ein Ort ist, an dem ich gerne arbeiten möchte, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin. Meine beiden Lehrer haben, bevor sie mi dem unterrichten angefangen haben, lange an Theatern in Amerika gearbeitet. Man kann sich wunderbar mit ihnen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse unterhalten. Und sie lassen das auch gerne in ihren Unterricht einfließen um Beispiele greifbar zu machen und um wirklich zu verstehen, warum etwas so ist, wie es nun einmal ist.

Ich habe in den letzten Wochen immens viel dazu gelernt. Auf unterschiedlichen Ebenen. In „Costume Construction“ lernen wir zu nähen. Ich fange gemeinsam mit allen anderen mit den Grundlegenden Handstichen an. Ich nähe Probeläppchen und verstehe, wie es ist in einer Gruppe nähen zu lernen. Es ist ein anderes Konzept, als die betriebliche Ausbildung in Deutschland, die ich erleben durfte. In diesem Fach werden wir zunächst jeder ein Halloween-Kostüm nähen und danach auch die Kostüme für die kommende Theaterproduktion nähen.

Mein Halloween-Kostüm

„Introduction to Theatre“ verbindet viele Dinge, die ich gerne mache und in den letzten Jahren vermisst habe: Geschichte und Textanalyse. Das schönste daran ist, dass es sich auf das Theater bezieht. Wie ist Theater entstanden und hat es sich gewandelt? Welche Formen des Theaters gibt es noch, neben dem westlich geprägten, wie wir es in Europa kennen?

Das für mich interessanteste Fach ist aber „Women & Sexuality in Theatre“. Dadurch beschäftige ich mich einem Thema, dass in Deutschland für mich nicht so präsent war: Feminismus! Auch in diesem Fall ist es fest mit dem Theate verbunden. Es ist interessant nicht nur herauszufinden, welche Strömungen des Feminismus im 20. Jahrhundert besonders stark waren, sondern auch wie sie sich auf das Theater ausgewirkt haben. Dieses Fach hat mich während der ersten Woche, zweifeln lassen, ob ich wirklich die richtige Wahl getroffen habe. Die Texte die wir lesen sind anspruchsvoll und es macht es nicht leichter, dass sie auf Englisch sind. Mittlerweile bin ich sehr froh, dass ich diesen Kurs nicht abgewählt habe. Ich gewöhne mich daran die Texte zu lesen und freue mich auch schon darauf, wenn wir anfangen über Freud zu sprechen.

Ich freue mich darauf mehr darüber zu lernen und den ein oder anderen Eintrag darüber zu schreiben, so wie diesen hier:

https://handwerk-auf-reise.hwk-kassel.de/2017/09/07/grosses-theater/

See you soon,

Eure Clara

Großes Theater

Begreifen, was Theater ist. Was macht Theater eigentlich zu einer Kunst? Darum geht es in meinem Kurs „Introduction to theatre“. 

Mein Lehrer hat uns diese Frage in einer der ersten Stunden gestellt und uns mit einem Beispiel auf die Sprünge geholfen. Er war vor kurzem im Theater und hat sich das wunderbare Stück „Volksfeind“ nach Henrik Ibsen angesehen. Es geht um einen Ort, der von ihrem bekannten Heilbad profitiert. Im Zentrum der Handlung stehen aber zwei Brüder. Der eine ist der Arzt des Ortes, der bei Untersuchungen feststellt, dass das Wasser des Heilbads verseucht ist, da es an einer Fabrik vorbeigeleitet wird. Dieser möchte einen Artikel darüber veröffentlichen, was der andere Bruder, der Bürgermeister des Orts zu verhindern versucht, weil er den finanziellen Wohlstand der Stadt erhalten möchte. Am Ende wird der Doktor bloß- und als ein Feind des Volkes dargestellt.

In der Inszenierung, die uns beschrieben wurde, diente das Rathaus als Bühne. Das Publikum wurde während des Einlasses im Heilbad willkommen geheißen und nach einer gewissen Zeit, dann zu einem anderen Teil des Stückes in das Rathaus hineingebeten.

Diese Inszenierung ist ein simples Beispiel um die Zutaten zu beschreiben, die ein Theaterstück braucht. Charlie Mitchell fasst das in dem ersten Kapitel seines Buches „Theatrical worlds“ in einem Satz wunderbar zusammen: „However, nothing more is required than an actor, an audience, a space, and the intent to create a fictional world.“

Meine Lieblingszeilen aus dem Text „Feminist Theatre“ von Helene Keyssar

„Man braucht nicht mehr, als einen Schauspieler, ein Publikum, einen Raum und die Absicht eine fiktive Welt zu erschaffen.“ Dabei gehen die Schauspieler und das Publikum eine Art Abkommen ein, der Fantasie freien Lauf zu lassen. Ein einfacher Stuhl in einem Theaterstück ist nur so lange ein Stuhl bis man ihn zum Thron deklariert, jedem ist ab diesem Moment klar, dass es sich um einen Thron handelt. Der Zuschauer denkt mit und bildet sich eine Welt ein.

Eigentlich ein ganz simples Prinzip. Jeder kann es umsetzten. Und trotzdem sind in den Theater-, Opern- und Balletthäusern dieser Welt viele Menschen beteiligt. Der Intendant, der Regisseur, der Kostümbildner, die Werkstätten, Abendpersonal, Schauspieler und Sänger. die Liste der Menschen, die für eine Produktion benötigt werden ist lang.

Trotzdem bedeutet Theater mehr, als eine Hierarchie an dessen spitze ein kreativer Diktator steh. Ich denke, dass ist ein Bild, dass viele Menschen vom Theater habe. Denn man sieht das Produkt auf der Bühne, man liest die Namen der Akteure, den des Regisseurs und die Namen der Theaterleitung. Klein gedruckt findet man, in der Regel am Ende des Programmheftes, auch die Namen der Werkstatt Leitungen.

Der Slogan meiner Universität, passt aber auch zum Theater.

Theater ist ein Ereignis, bei dem verschiedene Leute (manchmal ohne es zu bemerken) vor und hinter der Bühne in Kontakt treten. Verschiedene Abteilungen arbeiten gemeinsam daraufhin ein Produkt auf die Bühne zu bringen. Das Publikum schaut es sich an, lacht, weint ärgert sich zusammen.

Es gab Feminismus im Theater. Das lerne ich gerade in meinem Fach „Women & Sexuality in Theatre“. Ein Ziel dieser Bewegung, die in den 1960er und 70er Jahren besonders stark war, war es mehr Stücke von weiblichen Autoren auf die Bühne zu bringen. Ein anderes, die Hierarchie, die im Theater herrschte, aufzulösen und klarzustellen, dass nur ein gutes Produkt herauskommt, wenn alle gleichermaßen daran arbeiten und respektvoll miteinander umgehen. Diese Bewegung wurde nicht nur von Frauen angetrieben. Konstantin Stanislawski, russischer Schauspieler, Regisseur und Theaterreformer, war es wichtig, dass alle an einer Produktion beteiligten Menschen dem gleichen kreativen Ziel dienen und ihre Kreationen auf einen gemeinsamen Nenner bringen.

Aber was macht Theater zu einer Kunst? Es ist der Moment in dem es geschieht. Die Einzigartigkeit jeder einzelnen Vorstellung, keine ist exakt wie die andere. Es ist wie ein Gemälde, dass neu gemalt wird. Die Pinselstriche geben Formen und Farben vor, aber werden nie ganz identisch sein.

See you soon,

eure Clara

I’m a Husky now

Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell anfange mit Vorurteilen aufzuräumen und zu merken, was Deutsch-Sein bedeutet.

In der vergangenen Woche war ich voll mit der Orientierungswoche auf dem Campus beschäftigt. Die Uni hat für alle internationalen Studenten eine Kennenlernzeit und einen Informationsmarathon organisiert. Mit vielen wissenswerten Dingen, viel Essen und tollen Menschen. Es gibt eine große Gruppe Asiaten und Inder. Einige Afrikaner, Lateinamerikaner und natürlich auch deutsche! Ich bin noch nie in meinem Leben jemandem aus Tunesien begegnet, aber Zeinab beeindruckt mich jeden Tag wieder aufs Neue. Während ich mich langsam darauf vorbereite, eventuell an Weihnachten vor lauter Kulturschock in ein Loch zu fallen, steckt sie vielleicht schon mittendrin. Während der Campustour kam sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und ich habe, während Zeinab von Tunesien erzählte, langsam begriffen, dass Amerika und Deutschland sich doch sehr ähneln!

Auf der Einladung stand: gemeinsames Frühstück!

Manches erscheint mir auf meinem Campus dennoch sehr absurd, aber ich denke gerade das ist es, was es im Moment sehr aufregend macht hier zu sein. Zu Beginn meiner Orientierungswoche habe ich alles in mich aufgesogen und begeistert mitgemacht. Für uns internationale Studenten wurde ein Marathon aus Präsentationen und Lunches organisiert, an dem wir gerne teilgenommen haben. Wir haben alles über unser Visum erfahren, uns in die Kurse eingewählt, angefangen englisch zu sprechen und nebenbei Donuts und Kuchen gefuttert.

Ich hatte zwei Seminare bevor ich nach Amerika gekommen bin. Dort und auch in der letzten Woche waren die Unterschiede zwischen den Amerikanern und anderen Kulturen Thema. Mir wurde erklärt, dass die Menschen hier wenig Verständnis gegenüber aufbringen. Private Fragen, wie die nach dem Beziehungsstatus, oder ob man Homosexuell ist werden schnell als Belästigung aufgefasst. Alles Dinge, die man verstehen und akzeptieren kann. Inder letzten Woche waren aber auch Themen wie Public Safety sehr wichtig, so wichtig, dass ich an drei Präsentationen zu diesem Thema teilgenommen habe. Hier wurde uns erklärt, dass man das Handy auch als Fußgänger in der Tasche lässt. Dass man immer genau weiß, wo man sich befindet, welche Straße man zuletzt gekreuzt hat. Uns wurde erklärt, dass man immer sein Umfeld im Auge behalten sollte, damit man weiß, wer einem wie lange und wohin folgt. Ich empfinde das, als wenn ich mir eine Privatsphäre schaffen soll, um die ich noch einen Zaun baue, damit mich keiner angreifen soll. Das wäre auch leicht zu verstehen, wenn nicht zeitgleich an meiner Uni ein Gruppen- und Nähegefühl erschaffen werden würde.

Zandi (Südafrika), Claudia (Deutschland) und Ich

Wenn man an der Uni ankommt, checkt man erstmal ein. Man bekommt einen St. Cloud State-Beutel mit Infomaterialien. Beim nächsten Check In kommt dann ein T-Shirt, auf dessen Rücken, das jeweilige College draufsteht. Auf Gruppenfotos sieht man nur rote, schwarze, graue T-Shirts. Zu diesem Gruppengefühl trägt maßgeblich auch das Maskottchen der St. Cloud State: Der Husky! Huskies sind treue Tiere, die sich zu einem Rudel zusammenfinden und dann lange beisammenbleiben. Ich bin jetzt ein Husky und werde es auch immer bleiben, zumindest in den Augen des Lehrkörpers. Dazu kommt, dass Amerikaner gerne Smalltalk betreiben. Sehr schnell kommt man auf eine Ebene in der man fast freundschaftlich miteinander umgeht.

Ich tue mir schwer mit dem Kontrast zwischen einer fast schon paranoiden Distanz und einer sehr privaten Nähe. In Deutschland gibt es das nicht. Man beginnt meistens damit fremde Menschen mit „Sie“ anzusprechen. Langsam lernt man sich besser kennen und wechselt zum „Du“. Man kombiniert das „Sie“ mit dem Vornamen. Man bewahrt zu Beginn eine Distanz und kommt sich Schritt für Schritt näher. Hier stellt man sich mit dem Vornamen vor. Professoren und Lehrer haben es meistens sogar lieber, wenn man sie bei ihrem Vornamen nennt. Sie begegnen einem direkt auf einer anderen Ebene.

Ein anderes wichtiges Thema!

Mir wurde erklärt, dass jeder, der im Ausland lebt einen Kulturschock erleidet. Manche direkt am Anfang, manche später, weil sie von den faszinierenden Unterschieden mitgerissen werden. Das gilt auch für mich. Jeder Neuanfang, mit der Routine zu brechen, bewirkt doch erstmal eine Euphorie. Ich denke, wenn das langsam zur Routine wird und ich mehr Zeit habe alles zu überdenken und zu vergleichen, dann werde ich in ein Loch fallen.

Aber so wie es im Moment ausschaut ist dieses Loch noch Meilenweit entfernt.

See you soon,

eure Clara

First Stop New York City

Ich mag das Gefühl, das man hat, wenn der Flieger startet. Man wird tief in den Sessel hineingedrückt. Bei mir löst es das Gefühl von Sicherheit aus. Eigentlich das beste Gefühl, das man haben kann, wenn man eine lange Reise startet.

Genau genommen hat die PPP-Reise schon vor einem Jahr begonnen, als ich im Sommer die Bewerbungsunterlagen bei der GIZ angefordert habe. Vom Parlamentarischen Patenschafts-programm habe ich von dem Mobilitätsberater der Handwerkskammer Kassel gehört. Schnell war mir klar: schaden kann es nicht, also bewerbe ich mich mal. Zum Glück war mir nicht von Anfang an bewusst, wie Nervenaufreibend die ganze Sache werden würde. Aber je länger sich der Prozess in die Länge zog umso klarer wurde mir wie sehr ich diese Chance bekommen möchte ein Jahr in den USA leben und arbeiten zu dürfen.

Gerade sitze ich gegenüber vom YMCA in New York und langsam kommt auch bei mir an, dass es sich nicht nur um ein paar Tage Urlaub hier handelt, sondern, dass ich morgen zu meiner Gastfamilie nach St. Cloud in Minnesota fliege und ab Montag auch die St. Cloud State University als Studentin besuche.

Auf meine Platzierung habe ich lange warten müssen. Nicht so lange, wie andere, aber aufregend war es schon, erst zwei Wochen vor meinem Abflug zu erfahren wo ich ein Jahr lang leben werde. Es war der beste Anruf den ich seit langem bekomme habe, als mir Max und Amanda von Cultural Vistas gesagt haben, dass sie ein College und zudem noch eine Gastfamilie in St. Cloud gefunden haben. Das College ist Teil der St. Cloud State University und biete Fächer im Bereich Theater und Film an. Für mich als ehemalige Auszubildende des Staatstheaters in Kassel ein Traum und die perfekte Platzierung. Wie ich zu meinem Zielort weiterreise habe ich erst hier in New York erfahren. Man braucht also Geduld und Ausdauer, wenn man sich für dieses Programm bewirbt. Aber ich wage es jetzt schon zu sagen, dass es sich lohnt!

Für mich ist es das erste Mal in den USA und somit auch das erste Mal, dass ich in New York bin. Und jetzt mal ehrlich: Wer träumt denn nicht davon, wenigstens einmal durch New York zu laufen? Die Filme die hier spielen versprechen einem viel. Einiges davon wird sogar erfüllt. Eine Bustour bei Nacht zum Beispiel ist wunderbar. New York hat dann ein bestimmtes Licht. Das man gar nicht genau beschreiben kann. Es liegt irgendwo zwischen blau und lila und einem wohligen Gefühl. Die Ausblicke von der Manhattenbridge auf die Skyline von New York, den Hudsonriver und die Freiheitsstatue sind umwerfend. Aber selbst bei einer vermeintlich entspannten Bustour durch ein nächtliches New York lässt die Hektik, die die Stadt beherrscht keinen Moment nach. Es wirkt fast so als ob die Straßen noch voller und die Menschen noch schneller unterwegs sind. Zudem gibt der Tourguide auf dem Oberdeck sein bestes uns keine Sehenswürdigkeit zu unterschlagen, was aber nur zu schaffen ist, indem er sich selber ins Wort fällt.

Die Stadt ist eine Wüste aus Beton, Asphalt und Glas. Das wird mir von Tag zu Tag klarer. Am dritten Tag gehe ich den anderen in der Grand-Central-Station verloren. Kurzerhand mache ich mich alleine auf den Weg. Mein Ziel: Der Central-Park und ein wenig Ruhe. Das bedeutet, etwa zwanzig Straße die Park Avenue hinunter und dann nach links. Alleine merke ich, dass ich schnell in den Rhythmus der Passanten einsteige und die Straßen hinunterhechte. Und dann ist da plötzlich diese Kirche auf meiner rechten Seite. Ein romanischer Bau der mitten in dieser modernen Stadt wirkt, wie aus einer anderen Welt. Ich gehe hinein und bin platt von der klassischen Schönheit dieser Kirche. Das Seitenschiff von St. Barts ist zwar düster, aber mit einer verzierten Holzdecke geschlossen, die mir die Sprache verschlägt. Von der Dame an der Information erfahre ich später, dass der Bau gerade einmal einhundert Jahre alt ist.

Aber noch etwas anderes weckt meine Aufmerksamkeit: der ständige Lärm ist verschwunden. Es ist seit drei Tagen, das erste Mal, dass ich keine Autos, Stimmen oder Klimaanlagen zu hören bekomme. Bitte versteht mich nicht falsch! Die Stadt beeindruckt, keine Frage und es ist auch fantastisch einmal dort gewesen zu sein, aber länger als ein paar Tage halte ich es dort nicht aus. Deswegen bin ich auch sehr gespannt, wie die Tage dort im nächsten Jahr werden.

Jetzt geht es erstmal weiter nach St. Clouds. Mit dem Flieger nach Minneapolis und dann mit einem Shuttle zum Campus der St. Cloud State University. Ich freue mich auf eine ruhige Stadt, weil es aufregend genug ist eine fremde Sprache zu sprechen, permanent auf fremde Menschen zu treffen. Mit dem Kopf kommt man gar nicht hinterher, das alles zu verarbeiten. Daher gehe ich jetzt meine Koffer packen, verabschiede mich von allen und schlafe gut.

See you soon,

eure Clara