Apprenticeships around the World

Als Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement in Schweden – Sophia Menzel

Auslandspraktikum in Schweden

Im zweiten Lehrjahr meiner Ausbildung, zur Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement, absolvierte ich ein vierwöchiges Auslandspraktikum in Schweden.

Meine Reise begann am Sonntag, den 24. September 2023. Angekommen am Bahnhof in Malmö wurde ich von Berth H., dem schwedischen Kontakt der Mobilitätsberatung, empfangen. Er brachte mich zu meiner Unterkunft und stellte mich meinen Gasteltern vor. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass sie, und ihre beiden Töchter mir sehr ans Herz wachsen, und die gemeinsamen  Fernsehabende mit „Swedens Idol“ zu einer Tradition werden würden.

– Lukie, die Katze meiner Gasteltern

Am nächsten Tag wurde ich von Berth zu meine Praktikumsbetrieb gebracht: die Firma Ahlsell.  
Dort angekommen hatte ich zunächst ein Meeting mit dem Filialleiter, welcher mich herzlich begrüßte. Nach einem Einführungsgespräch und einem Firmenrundgang begann schon direkt mein Arbeitsalltag.

 

Da sich die Firma zu der Zeit in Umbau- und Vergrößerungsmaßnahmen befand, bestand meine Hauptaufgabe in den nächsten Wochen aus dem Abbauen alter Regale und dem Aufbauen und Auffüllen neuer Regale. Dass diese Arbeit komplett von meinen Arbeitsaufgaben in Deutschland abwich, hat mich überhaupt nicht gestört. Denn so konnte ich die jungen „Sommerarbeiter“, welche in meinem Alter waren, besser kennen lernen. Mit Phillip, Oskar, Emma und Ludwig hatte ich wirklich eine wunderbare Zeit.

– brunchen im Café Jord

Aber natürlich habe ich nicht nur Regale auf- und abgebaut. Ich wechselte alle paar Tage die Abteilung und konnte so viele verschiedene Einblicke bekommen. Vormittags half ich bei der Warenannahme und -kontrolle, nachmittags war ich häufig an der Kasse beschäftigt. Aber auch bei der Warenbestandsprüfung, der Inventur, Bestellungen und der Kundenbetreuung half ich mit.

Meine Highlights an der Arbeit waren die Frühstück-, Mittags- und Kaffeepausen. Dort kam ich bei Knäckebrot, Zimtschnecken und Kaffee mit vielen netten Arbeitskollegen ins Gespräch.

– Fika (sv: „Kaffeepause“)

In meiner Freizeit habe ich auch viel erlebt. Noch vor meiner Anreise hatte ich mir mit Google Maps eine Karte von Malmö und Umgebung erstellt und alle möglichen Plätze, Wege, Cafés und Bars markiert, die ich besichtigen wollte. Tatsächlich konnte ich alle Punkte meiner Karte abarbeiten, denn ich hatte Glück mit dem Wetter, am Wochenende schien immer die Sonne.

Mein Highlight der Reise war der Wochenendausflug mit zwei Freunden aus Deutschland. Wir sind mit dem Auto nach Ystad gereist, eine Stadt an der schwedischen Südküste, und am Meer entlang wieder zurück nach Malmö gefahren.

Mein Highlight der Reise war der Wochenendausflug mit zwei Freunden aus Deutschland. Wir sind mit dem Auto nach Ystad gereist, eine Stadt an der schwedischen Südküste, und am Meer entlang wieder zurück nach Malmö gefahren.

Die Zeit in Schweden verging, wie im Flug und schon bald war die letzte Woche angebrochen. Der Gedanke an meine Abreise löste in mir gemischte Gefühle aus. Einerseits freute ich mich meine Familie und meine Freunde aus Deutschland wiederzusehen, andererseits wusste ich, dass mir der Abschied schwerfallen würde. Die Schweden sind mir echt ans Herz gewachsen.

Und so kam es wie es kommen musste, und es war Freitag, der 20. Oktober 2023, mein letzter Arbeitstag. Kurz vor Feierabend versammelten sich alle Mitarbeiter an der Kasse und mir wurde eine riesengroße Musikbox überreicht. „Because you love to listen to music. And now you will think of us, when you are back in Germany!“, sagte mein Filialleiter. Auch ihm viel der Abschied schwer ,Or you Stay here an keep working at Ahlsell. We would be very happy“ sagte er scherzhaft.

Meinen letzten Abend verbrachte ich mit meinen Gasteltern. Wir machten gemeinsam Burger und sahen uns die ein letztes Mal zusammen die Serie „Swedens Idol“ an. Wir tranken und redeten noch bis spät in die Nacht. Am nächsten Tag stand meine Abreise an, und ich wurde von Berth H. an den Bahnhof gebracht.

Abschließend kann ich sagen, dass diese vier Wochen mich maßgeblich geprägt haben. Ich habe so viele unglaublich nette und großartige Personen kennen gelernt und so viel Schönes gesehen. Noch oft denke ich an diese Zeit zurück. Und eins ist klar: mein nächster Urlaub geht nach Schweden!

Als Maßschneider in Schweden – Sina Kase

im 2. Lehrjahr in Stockholm

Von Sina Kase, 21 Jahre, aus Waldeck-Frankenberg, Auszubildender in Kassel

Ich erhielt die Empfehlung für den Praktikumsplatz von einer anderen Auszubildenden und hatte das Glück, mein Praktikum in Stockholm zu absolvieren. Das Theater befindet sich direkt neben dem Schloss Drottningholm, wo auch die schwedische Königsfamilie wohnt, und ist ein original erhaltenes Barocktheater aus dem Jahr 1766. Es ist der schönste Ort der Welt, vor und hinter der Bühne. Die Kostüme, an denen ich mitgearbeitet habe, auf dieser Bühne zu sehen, in so einer tollen Oper, war eine Ehre für mich.

Die Schneiderwerkstatt befand sich neben dem Theater in einem alten Pavillon, der neben der Schneiderwerkstatt auch noch den Theatershop, die Übungsräume des Orchesters, die Werkstatt der Perückenmacher, den Pausenraum der gesamten Crew und die Räume der Bühnentechniker beherbergte. Die Räume wurden nie um-, nur ausgebaut, deshalb sind viele Decken-, Boden- und Wandbemalungen und Gemälde noch original erhalten und gaben den Arbeitsbereichen einen gewissen Charme.

In der Schneiderwerkstatt arbeiteten wir meistens zu viert, es herrschte übliches Chaos und Unordnung, und wir mussten uns bei der Nutzung von Nähmaschinen und Bügelanlagen gut absprechen. Die Gewandmeisterin hatte einen eigenen Arbeitsraum mit Büro, in dem auch alle Anproben stattfanden. Eine fest angestellte Schneiderin, eine saisonal eingestellte Schneiderin, eine weitere Praktikantin und ich arbeiteten in der richtigen Werkstatt. Trotzdem waren die Hierarchien niedrig, wir sprachen uns alle beim Vornamen an und ich wurde nie herablassend behandelt, wie ich es aus vergangenen Praktika in Deutschland kannte. Ich verstand mich gut mit meinen Kolleginnen.

Da ich in den letzten vier Wochen vor der Premiere dort war, waren die meisten Kostüme schon fertig. Die zweite Praktikantin und ich nahmen letzte Pass- und Dekoänderungen vor und nähten Knöpfe und Verschlüsse an. Allerdings fing ich direkt damit an, die Kostüme des Orchesters zu fertigen, im Laufe des Praktikums fertigte ich sieben Hemden und um die zehn Westen, alle grob im Stil des 17. Jahrhunderts. Eine dieser Westen wurde von einem Sänger und Schauspieler auf der Bühne getragen, alles andere vom Orchester.

Mit allen angewandten Techniken entsprach das fast meinem Können, und so lernte ich im Praktikum vor allem effizientere Fertigungsabläufe und den Arbeitsablauf vor einer Premiere im Theater kennen. Ich fand das sehr interessant und trotz der immer gleichen Kleidungsstücke, die ich fertigte, abwechslungsreich. Meine Arbeiten unterschieden sich nicht großartig von den ausgelernten Schneiderinnen, die im Unterschied zu mir letzte Kostümteile wie Umhänge, Röcke und Hüte fertigten und mit der Gewandmeisterin letzte Entscheidungen über die Designs trafen und uns Praktikanten anleiteten. Meine Arbeitsabläufe und die Fertigungstechniken für die Hemden und Westen erarbeite ich mir so selbstständig nach dem, was ich gelernt hatte. Ich lernte aber auch, dass sich klassische Maßschneiderverarbeitung in einigen Punkten sehr von den Techniken im Theater unterscheidet. Im Theater wird viel mehr improvisiert, je nach Kostüm und Accessoire auch mal getackert und geklebt, und da manche Kostüme für andere Aufführungen wiederverwendet werden, viel mehr mit Fokus auf einfach Abänderung gearbeitet. Zum Beispiel reparierte ich Westen und Hosen, die die Namensschilder von bis zu vier anderen Schauspielern aus vier anderen Stücken trugen und zwischendurch kein einziges Mal gewaschen wurden, weil das Material dies nicht zuließ.
Den Einblick in den Berufsalltag würde ich somit als sehr akkurat bezeichnen. Wir Praktikanten arbeiteten genau dieselben Stunden wie die Schneiderinnen, Überstunden derer ausgenommen, und machten dieselben Pausen. Die Liebe der Schneiderinnen zum Handwerk wurde in ihrer Arbeitsmoral sichtbar, und ich fand es wirklich schön zu sehen, dass alle mehr als nur einen Job zum Geldverdienen arbeiteten. Es war ein gesundes Arbeitsumfeld und ein gesundes Verhältnis zur Arbeit, die sich wirklich gelohnt hat, denn das Ergebnis auf der Bühne war wirklich phänomenal.

Vor der Premiere haben wir auch mit einigen Mitarbeitern des Theaters ein Konzert besucht. Ein Mitglied des Orchesters, Jonas Nordberg, ist ein bekannter Lautenspieler und hat im Barocktheater auf Schloss Gripsholm Konzerte gegeben, von denen wir eins besucht haben. Der Kurztrip nach der Arbeit dorthin und in das anschließende Dorf Mariefred war eine sehr schöne Erfahrung.

Dadurch, dass fast alle Abteilungen des Theaters im selben Haus arbeiteten oder kursierten, bekam ich kurze Einblicke in die Arbeit der Bühnentechniker, des Orchesters, der Operndirektorin und des Choreographen. Ich führte Gespräche mit einigen interessanten Personen, wo sich die Gelegenheit ergab. Ich hörte das Orchester proben, hörte die Leute in diversen Sprachen im Pausenraum reden. Die Oper erschien mir so wie das Ergebnis der Leidenschaften einzelner Künstler und ich habe es geliebt.

Meine Zeit in Stockholm war auch abseits des Praktikums sehr erfüllend. Es war das erste Mal, dass ich alleine soweit reiste und musste mich zum ersten Mal selbst versorgen, weil ich noch nicht von zu Hause ausziehen konnte. Es hat wieder aller Erwartungen Spaß gemacht und sehr gut geklappt. Bloß bin ich ein schrecklicher Koch. Ich hatte mir für die vier Wochen ein Zimmer gemietet und hatte so gleich auch eine Mitbewohnerin und zwei Katzen. Die Wohnung befand sich in einem Wohngebiet nahe einer S-Bahn-Station und einem Einkaufszentrum, mein Ausblick sowie das ganze Stadtbild war aber von Grünflächen, Bäumen und riesigen Wohntürmen geprägt. Mir wurde bewusst, wie gut die Abwesenheit von Autos wirklich tat.

An den Wochenenden besuchte ich so viele Museen wie ich nur konnte und erkundete die Innenstadt Stockholms. Ich entdeckte einen Flohmarkt und lief sogar in der Pride Parade mit. Durch den sehr gut ausgebauten ÖPNV (laut meiner Kollegen „ausreichend“, aber ich bin Deutsche Dorfverhältnisse gewöhnt) kam ich überall gut mit S-Bahn, Tram, Bus und zu Fuß an. Es gab eine Bootsverbindung direkt in die Innenstadt, kostenlos für Mitarbeiter und mit einer tollen Aussicht. Historische Häuser, Wohntürme und modernste Infrastruktur stand im Einklang mit Wäldern und riesigen Meeresarmen, da die Stadt sich über zahlreiche Inseln erstreckt. Auf meinem Weg zur Arbeit überquerte ich zwei Meeresarme, beide so breit wie riesige Flüsse wie der Rhein. In einer Großstadt zu wohnen, war für mich als Dorfkind eine tolle Erfahrung, und in Stockholm, mit so einer viel fortgeschritteneren Infrastruktur als in Deutschland, umso positiver.

Am Ende des Praktikums wollte ich eigentlich gar nicht gehen. Ich hatte mich so schön eingearbeitet und eingelebt und fühlte mich so geborgen wie Zuhause. Das Praktikum im Ausland zu machen war komplett meine eigene Entscheidung, die Planung desselben die schlimmste Phase meines Lebens und fast komplett ohne die Hilfe meiner Eltern, und während meines Praktikums war jede einzelne Entscheidung im Alltag über mich selbst meine eigene. Ich war gewissermaßen völlig unabhängig. So habe ich, trotz der teils anstrengenden Arbeit oder der entwickelten Routine, mich wirklich lebendig und frei gefühlt und habe über meinen Beruf hinaus fürs Leben gelernt.
Ich habe große Träume und Ziele für die Zukunft, so viel dass ich noch abseits von der Schneiderei lernen und machen will, aber dank diesem Praktikum weiß ich eins: Wenn ich für den Rest meines Lebens als einfacher Schneidergeselle oder Meister in einem Theater arbeiten würde, hätte ich nichts dagegen. Es wäre ok. Es wäre auch so ein erfülltes, schönes Leben. Und ich bin dankbar, dass ich diese Möglichkeit hatte und froh, dass ich sie ergriffen habe.