Apprenticeships around the World

Als Tischlerin in Finnland – Marie Imke

Update

Sonntag, Tag 16

Seit meinem ersten Post sind nun schon wieder 10 Tage vergangen und ich bin schon über zwei Wochen in Finnland. Mittlerweile habe ich mich hier schon wirklich gut eingelebt, einiges gesehen und vor allem neue Erfahrungen an der Arbeit machen dürfen. In mehreren „Themenblöcken“ möchte ich ein paar meiner Eindrücke und Erfahrungen mit Euch teilen.

Die Arbeit im Betrieb: Am Anfang dieser Woche habe ich mit dem Kollegen die letzten Tischplatten fertig stellen können. Danach durfte ich ihn bei den nächsten Schritten einen kleinen Abschnitt Teak-Deck herzustellen unterstützen . Hierfür haben wir bereits letzte Woche eine zugeschnittene Platte aus Aluminium mit Wabenstruktur als Grundlage genommen und mithilfe von Fugenmasse als Klebstoff, sowie Abstandshölzern zugeschnittene Teakholzstücke aufgeklebt. Auf der Formatkreissäge sind diese dann nach dem Trocknen der Masse „besäumt“ worden. Das heißt, die Kanten aller Teile sind nun exakt parallel zueinander. So konnten wir nun mit dem Rahmen fortfahren. Dieser besteht aus L-förmigen Teakholzstücken, die durch eine Feder verbunden sind und ist auf Gehrung gearbeitet. Da alle Fugen dieselben Maße haben müssen, musste die genaue Länge der Rahmenteile mehrmals überprüft werden. Erst dann konnten wir auch sie mithilfe der Fugenmasse aufkleben. Eigentlich hätte die Masse nun wieder erst über Nacht aushärten und die Rahmenteile dabei mit Zwingen an der gewünschten Position gehalten werden müssen. Um jedoch gleich die Fugen füllen zu können, sind die Teile zusätzlich von unten durch die Aluminiumplatte durch Schrauben fixiert worden, sodass wir schon nach kurzer Zeit die Zwingen abnehmen und die Fugen füllen und mit einem Spatel abziehen konnten. Mindestens vier Tage muss die Fugenmasse nun komplett aushärten.

Danach hat sich für mich, auf der Suche nach neuen Aufgaben, die Möglichkeiten ergeben auch mit anderen Kollegen ins Gespräch zu kommen und ein paar Worte zu wechseln über das, was sie gerade machen. Ich bin dann schließlich für einige Tage bei einem Kollegen gelandet, der für das Belegen von Spanplatten, Aluminium und oben genannten Wabenplatten zuständig ist, sowie das Verleimen von MDF, das durch die Verwendung der großen (Furnier)Pressen erleichtert wird. Wir haben viele, viele Teile mit Laminat belegt und dabei entweder flüssigen Klebstoff verwendet, der zunächst mit einem Härter vermischt werden muss und dann mit Spachtel und Rolle verteilt wird oder wir haben bei den großen Wabenplatten auf einen Klebstoff zurückgegriffen, der fest ist, aufgerollt und sich wie eine Folie anfasst. Er wird erst durch das Pressen und die Hitze dabei flüssig und verbindet sich dann mit beiden Materialien. Am Ende dieser Woche habe ich dann noch einige Zeit mit Schleifen verbracht. Bei der Größe der Projekte in diesem Betrieb sind es immer eher mehrere Dutzende anstatt „nur“ einem Dutzend Leisten…

Die Sprache: An der Arbeit kommuniziere ich mit meinen Kollegen glücklicherweise fast problemlos auf Englisch. Bisher war es immer möglich sich gegenseitig zu verständigen und zu besprechen, was zu tun ist, auch wenn man vielleicht noch einmal nachfragen musste und nicht sofort die richtigen Worte finden konnte. Schwieriger ist es da schon eher sich an Gesprächen zu beteiligen. Wenn sich Kollegen unterhalten, ist es unmöglich mitzubekommen, über welches Projekt oder private Thema sie sich gerade unterhalten, denn die Bedeutung finnischer Worte lässt sich wirklich nicht leicht ableiten… Das wird sich für mich in den nächsten Wochen wohl auch leider nicht ändern, aber ich hoffe, dass ich immerhin in der englischen Sprache noch ein bisschen mehr an Sicherheit gewinnen werde und es mir leichter fällt mich so auszudrücken, wie ich es auch in meiner Muttersprache tuen würde.

Das Busfahren: Mittlerweile ist es schon ganz normal, letzte Woche wäre es mir aber bei meiner ersten Busfahrt fast zum Verhängnis geworden: hier in Finnland muss man den Bussen an den Haltestellen per Handzeichen zu verstehen geben, dass man einsteigen möchte. Die Haltestellen werden hier von vielen verschiedenen Buslinien angefahren und hält man den Bus nicht an, fährt er weiter. Da ich das aus Deutschland so nicht kenne, war ich unglaublich froh, dass noch eine andere Frau mit mir an der Haltestelle stand, die denselben Bus nehmen wollte, wie ich.  

Die Landschaft: An unterschiedlichen Orten und auf unterschiedlicher Weise konnte ich in den letzten Tagen die Landschaft der Südwestküste Finnlands etwas besser kennenlernen. Zu Fuß war ich auf dem Festland in Naantali unterwegs und habe den Blick auf die vielen Inselgruppen genossen, sowie die Straßen der Altstadt aus bunten kleinen Holzhäusern, die ihren ganz eigenen Charme haben. Von zwei Kollegen bin ich am Mittwoch eingeladen worden mit ihnen eine Runde Kajak zu fahren und es war unfassbar schön selbst zwischen diesen Inseln auf dem Wasser unterwegs sein zu können. Wir haben auf einer kleinen Insel eine Pause gemacht, waren also mittendrin in diesem Schärenmeer und konnten uns die grüne und felsige Küste des Festlandes genauer anschauen. Und gestern bin ich von Hanko aus, einer Küstenstadt auf halbem Weg zwischen Turku und Helsinki, mit dem Boot auf die Insel Bengtskär gefahren, um dort den südlichsten und auch höchsten Leuchtturm Finnlands zu besichtigen. Hier war keine andere Insel oder das Festland mehr in Sicht, sondern man konnte über das Meer bis zum Horizont schauen.  

Das war es erst einmal wieder von mir! Morgen geht es wieder an die Arbeit – mal sehen, was in der nächsten Woche für Projekte auf mich warten.

Als Tischlerin in Finnland – Marie Imke

Ankommen

Donnerstag, Tag 6

So ganz kann ich es immer noch nicht glauben, aber ich sitze schon lange nicht mehr zum ersten Mal an dem Küchentisch einer kleinen Wohnung am östlichen Stadtrand von Turku, sondern wohne nun schon fast sechs Tage hier.

Turku liegt an der Südwestküste Finnlands und ist damit ganz schön weit weg von Kassel. Also warum bin ich hier? Ich werde die nächsten Wochen in Raisio, einem Vorort von Turku, ein Praktikum in dem Betrieb „Paattimaakarit“ absolvieren. Wer bin ich? Ich bin Marie, 20 Jahre alt und jetzt am Ende meines zweiten Lehrjahres der Ausbildung zur Tischlerin.

Letzten Samstag ging es für mich also nach langer Zeit der Unsicherheit, ob dieses Praktikum aufgrund der aktuellen Weltlage überhaupt stattfinden kann, nach Frankfurt zum Flughafen und von dort in ungefähr zwei Stunden nach Helsinki. Dort bin ich in den Zug umgestiegen und hatte genug Zeit, um einen ersten Eindruck von dem Land zu bekommen. Und der war vor allem grün! Manchmal aber auch rot, mit Dach und weißen Fenstern.

Am frühen Abend bin ich dann in Turku am Bahnhof angekommen und wurde von Vesa, der hier in Finnland alles für das Praktikum organisiert hat, abgeholt und zur Unterkunft gebracht. Dort hat er mir alles Notwendige gezeigt, erklärt und wir haben uns für Montagmorgen um 9 Uhr verabredet, um gemeinsam in den Betrieb zu fahren. Ich hatte so also genug Zeit, um in Ruhe anzukommen und mir meine Umgebung etwas genauer anzuschauen.

Das Stadtzentrum von Turku hat mich am Sonntag mit blauem Himmel und Sonnenschein begrüßt. Zu Fuß bin ich einfach losgelaufen, entlang des Flusses zum Hafen und der Burg von Turku, dann einmal quer durch die Innenstadt. Es war Triathlon in Turku und so viel los auf den Straßen und vor den Lokalen, was wirklich schön war. Und was ich noch beobachten konnte: auch hier, direkt in der Stadt, ist es super grün!

Montagmorgen ging es dann also mit Vesa nach Raisio. Die Begrüßung im Betrieb ist super kurz ausgefallen und große Erklärungen zu Arbeitsbereichen oder -abläufen gab es keine, dafür bin ich aber direkt einem Kollegen zugeteilt wurden und durfte ihn sofort bei seiner Arbeit unterstützen. Ich darf an der Herstellung von Tischplatten mitarbeiten und da es sich hierbei nicht nur um zwei oder drei handelt, sind wir damit auch die letzten Tage beschäftigt gewesen. Leider habe ich dadurch und durch die individuellen Pausenzeiten noch keinen näheren Kontakt zu anderen Kollegen gehabt, aber dafür habe ich hoffentlich noch die nächsten 5 Wochen genug Zeit. Es ist auf jeden Fall super interessant mitzuerleben, wie in der großen Halle des Betriebes alle an eigenen Teilprojekten arbeiten oder die Arbeitsschritte für den nächsten vorbereiten. Anders als ich es aus meinem Ausbildungsbetrieb gewohnt bin, ist es hier unmöglich alles mitzubekommen. Und der Geräuschpegel ist auch ein anderer…

Morgen früh klingelt also um 5 Uhr wieder der Wecker und ich werde zum Frühstücken hier am Küchentisch sitzen, damit ich pünktlich kurz vor 7 Uhr an der Arbeit bin und hoffentlich die letzten Tischplatten fertig werden.