Apprenticeships around the World

Als Tischlerin in Finnland – Marie Imke

Die Zeit ist gerannt….

Sonntag, „der Tag danach“

Schon sind sechs Wochen Auslandspraktikum in Finnland um… Ich sitze nicht mehr am Küchentisch einer Wohnung in Turku, sondern wieder an meinem Schreibtisch in Deutschland und gerade bei der letzten Woche frage ich mich wirklich, wo die Zeit geblieben ist. Und das geht nicht nur mir so! Ich habe an meinem letzten Tag von einigen Kollegen gesagt bekommen, dass sie gar nicht glauben können, dass ich tatsächlich sechs Wochen in dem Betrieb gearbeitet habe. Aber bei der Menge an neuen Eindrücken und Erfahrungen, die ich machen durfte, darf ich mich eigentlich auch nicht darüber wundern, dass sich die sechs Wochen im Nachhinein eher wie sechs Tage anfühlen.

Ich habe viel lernen und erleben dürfen in meiner Zeit in Finnland und bin sehr dankbar dafür. Es war toll für einige Wochen einen anderen (Arbeits-)Alltag erleben zu dürfen, sich in einer anderen Umgebung wiederzufinden und in einer anderen Sprache zu kommunizieren und ich weiß schon jetzt, dass ich viel daraus habe mitnehmen können.

Das Stadtzentrum Turkus war unglaublich lebendig und es gibt so viele schöne Orte an denen man seine freien Abende oder das Wochenende verbringen konnte. Die Tatsache, dass man sich überall problemlos auf Englisch verständigen konnte und mit dem Bus alles gut erreichen konnte, hat die Freizeitgestaltung sehr leicht gemacht.

Für Tagesausflüge an den Wochenenden musste man sich natürlich etwas beschränken bei der Auswahl der Ziele, um nicht den ganzen Tag in Zug oder Bus zu sitzen, aber die Südwestküste Finnlands hat da definitv viel zu bieten. Mit meiner Mitbewohnerin war ich beispielsweise an den letzten Wochenenden noch in einem Nationalpark nördlich von Turku, etwas mehr im Landesinneren, und in Rauma, einer Stadt an der Westküste Finnlands mit einer unglaublich schönen bunten Altstadt mit den typischen Holzhäusern.

Aber nun noch einmal zu meinen Arbeitserfahrungen im Ausland – schließlich habe ich die meiste Zeit in Finnland logischerweise in meinem Praktikumsbetrieb verbracht.

Der größte Unterschied zu meiner Ausbildung in Deutschland bestand definitiv darin, dass ich in Finnland nur in einer Werkstatt gearbeitet habe und in meinem Ausbildungsbetrieb nicht nur in der Werkstatt arbeite, sondern eben auch zu Kunden auf Montage fahre. Beides hat natürlich irgendwie seine Vor- und Nachteile. Zum Beispiel ist es doch ganz angenehm, wenn man immer alle Werkzeuge und jegliches Material zur Verfügung hat und nicht erst noch in das Auto laden und sich dann auf der Baustelle einrichten muss. Es hat mir aber auch definitiv gefehlt, das Werkstück, das man gebaut hat in seiner späteren Umgebung zu sehen. Oftmals kann etwas erst vor Ort aufgebaut werden und so erlebt man gar nicht den ganzen Fertigungsprozess mit Montage und notwendigen individuellen Anpassungen, denn dafür sind andere Mitarbeiter zuständig.

Ein weiterer großer Unterschied war außerdem die Größe des Betriebes. Mein Ausbildungsbetrieb ist nicht groß und bei uns muss jeder an jeder Maschine arbeiten und die verschiedenen Arbeitsgänge ausführen. Bei dem Praktikumsbetrieb gab es jedoch feste Arbeitsbereiche. Einige Kollegen haben nur Kanten angefahren, nur mit der CNC-Fräse gearbeitet oder an der Formatkreissäge Schichtstoff und Platten zugesägt. So ist ein Werkstück bis zum Verpacken für den Transport zum Schiff durch viele Hände gegangen. Es war unglaublich wichtig, die Arbeiten zu dokumentieren und die Baupläne und Materiallisten weiterzugeben.

Beruhigend war, dass es bei Werkzeugen und Maschinen zwischen den Ländern keine Unterschiede gibt. In Finnland wurden sogar viele in Deutschland hergestellte Materialien verwendet, die ich so schon kannte und deren Beschriftung sogar auf Deutsch war, was mich anfangs sehr überrascht hat. Einziger Unterschied war vermutlich die Verwendung des Zollstocks. Ich nutze ihn normalerweise fast nur. Ein Arbeitskollege von mir in Finnland konnte sich das aber scheinbar nicht mit anschauen und hat mir ein Maßband gegeben, dass dort von jedem für jegliche Art des (Ver-)Messens genutzt wird.

Viele Unterschiede in der Arbeitsweise konnte ich also in diesen Wochen nicht feststellen und es war ein gutes Gefühl zu erkennen, dass man gelerntes Wissen und Fähigkeiten auch relativ problemlos in der Arbeitswelt im Ausland nutzen kann.

Morgen geht es nun aber für mich wieder hier in Deutschland zu Arbeit – mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen.

Als Tischlerin in Finnland – Marie Imke

Endspurt

Donnerstag, Tag 41

Donnerstagmorgen. Heute ist der vorletzte Tag meines Praktikums hier in Finnland. Die ganze Woche war die Abreise schon sehr präsent, aber gestern nach dem Abschlussgespräch mit Vesa, dem Organisator des Praktikums hier in Finnland, und Klaus, dem „Supervisor“ des Betriebs, der meine Ansprechperson ist, wurde es mir erst so richtig bewusst.

Wir haben eine kurze Bilanz gezogen und sind uns einig gewesen, dass es schön gewesen wäre, wenn ich mehr mit Vollholz hätte arbeiten können und anfangs nicht so häufig neue Aufgaben hätte fordern müssen. Dies war aber in den Wochen anders einfach nicht möglich und von daher bin ich dankbar, dass die Kommunikation mit den Kollegen so gut geklappt hat und sie sich immer Zeit genommen haben zum Beantworten von Fragen oder Einbeziehen in einen Arbeitsvorgang, wodurch ich doch immer gut beschäftigt war.

In der letzten Woche gab es für mich aber noch einmal die Gelegnheit mit Vollholz zu arbeiten. Ich habe Treppenstufen zugeschnitten und sollte außerdem einen Rahmen für den Boden eines Pooldecks vorbereiten. Dafür habe ich lange Leisten Teakholz zugeschnitten, abgerichtet und auf Maß gehobelt, um anschließend mithilfe der Tischfräse eine Nut-Feder-Verbindung über die gesamte Länge herzustellen. So konnte ich nun jeweils zwei Leisten L-förmig verleimen und anschließend die Kanten mit der Handoberfräse bearbeiten.

In den letzten Tagen hatte ich nun noch die Möglichkeit an einem Teilprojekt mitzuwirken, das klein wirkte, aber doch sehr zeitintensiv ist und an dem ich zusammen mit zwei KollegInnen arbeite. 
Es soll eine Art Säule aus übereinander gesteckten Zahnrädern entstehen, von denen einige später Uhren präsentieren sollen. Dafür müssen viele Verbindungen gefräst, Teile aufgeleimt und geschliffen werden, damit am Ende bei der Montage und nach der Lackierung alles exakt zusammenpasst.
Ich bin gespannt, wie viele Stunden von meinen zwei letzten Arbeitstagen ich damit noch beschäftigt bin!

Und dann hatte ich gestern noch eine sehr schöne Begegnung: ein Kollege ist auf mich zugekommen und hat mich gefragt, was ich vor hätte – ich könnte doch jetzt nicht gehen, es gäbe noch so viel zu tun! Und wenn ich jetzt gehen müsste, sollte ich doch wenigstens bald einmal wiederkommen.
Das von ihm so herzlich zu hören, hat mich unglaublich gefreut und mir gezeigt, dass ich in diesem Team vielleicht doch schon länger mehr „angekommen“ bin, als ich selbst gedacht habe. Ein super schöner Abschluss! 

Als Tischlerin in Finnland – Marie Imke

Die zweite Hälfte

Dienstag, Tag 32

Mittlerweile sind schon über vier Wochen des Praktikums hier in Finnland um. Ich kann gar nicht so richtig glauben, wie schnell die Zeit vergeht. Das letzte Mal, dass ich mich hier gemeldet habe, ist nun auch schon wieder über zwei Wochen her.

An der Arbeit habe ich mich mittlerweile wirklich gut eingelebt. Es ist tatsächlich teilweise schwierig, Aufgaben für mich zu finden und aufgrund der Arbeitsabläufe hier nicht möglich ein Teilprojekt von Anfang bis Ende zu begleiten, aber ich konnte mich ganz gut mit den Gegebenheiten arrangieren.

Da ich nun auch die Kollegen kenne, denen ich helfen kann, weiß ich, wohin oder an wen ich mich wenden kann und finde doch immer genug zu tun.

In der dritten Woche hat sich hier merklich die Arbeitsatmosphäre geändert und es lag spürbar eine gewisse Spannung in der Luft. Wie ich im Gespräch mit dem Vorarbeiter später erfahren habe, läuft es in dem Betrieb wohl immer so. An einem bestimmten Punkt „legt sich ein Schalter um“ und die Arbeitsweise verändert sich. Es ist schwer zu erklären, aber es fühlt sich an, als würde irgendwie noch intensiver gearbeitet werden, das Zusammenspiel zwischen allen Bereichen scheint stärker zu werden. Nach einigen Wochen ist aber auch alles wieder beim Alten und es kehrt die so wichtige Ruhe ein. Grund für die andere Arbeitsatmosphäre war jetzt gerade, dass alle Projekte für ein Schiff fertig gestellt wurden und nun komplett auf die Produktion für ein anderes Schiff umgestellt wurde. Das ist tatsächlich auch ein Punkt, der noch immer etwas schwer vorstellbar für mich ist – der Betrieb baut (fast) ausschließlich Möbel und andere Innenausbauteile für Schiffe. Da es sich jedoch um Kreuzfahrtschiffe handelt, sind es keine kleineren Möbel, die gerundet an die Form eines Rumpfes angepasst werden müssten, sondern Küchenmöbel oder Regale wie man sie in Größe und Bauweise in beliebigem Gebäude finden würde.

Ich habe in den letzten Tagen unter anderem bei dem Zusammenbau eines großen Eichenregales mit eingebauten LED-Leisten und geschlossenem Stauraum für einen Parfümerie geholfen, kleine runde Teaktischplatten geschliffen, die Kanten gerundet und alles geölt, riesige Deckenpaneele geschliffen, Küchenschränke zusammengebaut, aber auch beim Bau eines kleinen einzeln stehenden Schminktisches mitgewirkt. Es ist eine ganz gute Mischung aus Arbeiten, die ich alleine mache, bei denen die Abläufe und alles weitere klar sind, und Arbeiten, bei denen vier Hände und zwei Augenpaare einfach sehr hilfreich sind. Und nicht zu vernachlässigen die Erfahrungen, die ich gerade erst anfange zu sammeln mit meiner Ausbildung.

Aber abgesehen von der Arbeit: Das Wetter war hier in letzter Zeit eher grau. Wenn ich mich mit Kollegen über meine Pläne für die freie Zeit unterhalten habe und sagte, dass ich mir ein bisschen Sonne wünschen würde, habe ich immer nur belustigt zu hören bekommen, dass ich mir für mein Praktikum dann aber das falsche Land ausgesucht hätte – Finnland sei eben bekannt für das graue, regnerische Wetter. Dann genieße ich eben das!
Mit meiner Mitbewohnerin, die vor zwei Wochen hier ankam und auch ein Auslandspraktikum macht, bin ich dann aber am Sonntag noch einmal von ganz viel Sonnenschein überrascht worden und wir haben mit dem Fahrrad eine der Inseln vor der Stadt erkundet und wieder darüber gestaunt, dass es selbst von dort in diesem Schärenmeer nicht möglich ist bis zum Horizont zu schauen.

Ich bin gespannt, was in den letzten Tagen noch passiert und was ich noch erleben darf – gefühlt wird es schon morgen wieder mit dem Flieger Richtung Deutschland gehen!