Apprenticeships around the World

Costume Construction

Mein Kurs „Costume Construction“ ist wohl der, der am ehesten das ist, was ich in Deutschland gemacht habe. Es geht darum nähen zu lernen, Entwürfe zu machen und an Kostümen zu arbeiten, die später auf der Bühne stehen. Nähen habe ich durch meine Mutter gelernt, seitdem ich elf bin sitze ich regelmäßig an der Nähmaschine. Ich wurde in Bewerbungsgesprächen oft gefragt woher mein Interesse am Nähen kommt und die Antwort war immer dieselbe: durch meine Mutter und meine Großeltern. Meine Großmutter mütterlicherseits hat selber eine Schneiderausbildung absolviert und dann für meine Mutter und ihre Geschwister viel selber genäht. Meine Großeltern väterlicherseits waren Feintäschner, sie haben Portemonnaies und andere feine Lederwaren gefertigt. Außerdem war es mir wichtig zu sehen, was ich mache und lerne. Besonders jetzt rückblickend denke ich, dass es mir in der Schule immer schwer viel zu verstehen, was der Lehrer erwartete, wenn ich etwas analysieren sollte, zum Beispiel im Deutschunterricht. Zudem erschien mir die Benotung immer etwas willkürlich, ich denke, weil es mir schwer viel zu verstehen, wieso meine Interpretation richtig oder falsch war.

Bild: In der Herrengarderobe des Colleges

 Beim Nähen sehe ich die Fehler selber. Allgemein genieße ich es jedes Mal wieder zu sehen, wie aus einer Idee ein Kleidungsstück wird. Mich beeindruckt es, dass man mit einem platten, eindimensionalen Schnittmuster anfängt, und mit vielen kleinen Schritten, die für mich sehr logisch nachzuvollziehen sind ein Kleid, Hosenanzug oder auch einfach nur ein T-Shirt erstellt. Ich habe festgestellt, dass ich Dinge besser begreifen und lernen kann, wenn ich sie in die Hand nehmen und anschauen kann. Das bedeutet nicht, dass ich nicht abstrakt denken kann und nicht mit Papier und Stift arbeiten kann. Ganz im Gegenteil. Jedes Kleidungsstück beginnt mit dem konstruieren des Schnittmusters und auch um Probleme während des Nähens zu lösen wird Kreativität und abstraktes Denken erfordert, weil nicht jedes Material genau das macht, was man von ihm erwartet.

 Besonders aber bei der Schnitterstellung braucht man logisches Denkvermögen. Eine gute Schnittdirectrice hat die Fähigkeit schon bei der Schnitterstellung zu erkennen wie sich das was sie zeichnet auf das Kleidungsstück auswirkt. Sie weiß wie sie Abnäher und Falten setzten muss um einen bestimmten Fall des Stoffes zu erreichen. Meistens kommt diese Fähigkeit durch sehr viel Übung und Erfahrung, durch Fehler, die man schon gemacht hat, aber auch daher, dass man das was man in 2-D zeichnet in 3-D vor dem inneren Auge sieht.

Bild: beim fixieren der gefältelten Krause

 In meinem Kurs steht das nähen im Vordergrund. Ich bin in einer Klasse mit Nähanfängern und Studenten, die noch nie genäht haben. Aber um einen Abschluss in dem Fach Theater zu erwerben muss man während seines Studiums diesen Kurs belegen. Aber es lohnt sich. Der Kurs findet immer im Herbst-Semester statt wodurch jeder sein eigenes Halloweenkostüm nähen kann. Ich habe diese Aufgabe genutzt um zwei Dinge zu machen, die ich immer schon machen wollte: einen Body, oder Badeanzug und eine Achterkrause. Eine Achterkrause wurde besonders im späten sechzehnten Jahrhundert in Spanien getragen. Sie wird auch Mühlsteinkragen genannt, weil sie kreisrund ist und schwer auf den Schultern liegt. Von Zeit zu Zeit werden Krägen, wie diese auch im Theater gefertigt, aber leider nicht in der Zeit in der ich dort meine Ausbildung gemacht habe. Dieses Projekt braucht Geduld, weil man viel mit Handstichen und so immer mit der gleichen Bewegung.

 Ich wollte nicht, dass die Krause auf meinen Schultern, sondern auf meiner Taille sitzt, als eine Art Rock. Das hatte wiederum zur Folge, dass noch mehr Material erforderlich war. Es gibt verschiedene Wege eine Krause zu fertigen, ich habe mich für die unkomplizierte Variante entschieden einen langen, geraden Stoffstreifen in Falten zu legen und dann an den äußeren Kanten zu fixieren. Aufgrund der Fixierung hat die Krause ihren Namen: man zieht die Stoffschichten zusammen, dass Waben entstehen, die auch ausschauen, wie Achten. Im Enddefekt hatte ich einen zwölf Meter langen und fünfundzwanzig Centimeter breiten Streifen, den ich Säumen und in Falten legen musste. Damit die Falten gleichmäßig werden macht es bei so etwas Sinn Fäden einzuziehen mit denen man den Stoffstreifen ganz einfach wie eine Ziehharmonika zusammen schieben kann. Danach folgte der Teil, der am meisten Zeit beanspruchte: das Fixieren. Wie vorher schon beschrieben zieht man die Stofflagen aus den Falten zusammen und fixiert sie mit kleinen Knötchen, wobei man darauf achtet die Falten in sich nicht zu verschieben. Es ist aufwendig, aber es lohnt sich auf vielen verschiedenen Ebenen. Einerseits habe ich wieder einmal begriffen, wie schnell man die Menge an Arbeit unterschätzen kann. Mir war vorab bewusst, dass es viel Zeit brauchen würde diese Krause herzustellen, aber am Ende war ich doch sehr überrascht, wie viel es war. Andererseits war es auch wieder eine Übung sauber und ordentlich zu arbeiten. Besonders, wenn man einfach einen geraden streifen hat ist das wichtig, aber auch bei dem Body, den ich genäht habe, war das sehr wichtig. Für diesen hatte ich mir einen Stretch-Samt ausgesucht, der schwer war unter der Maschine zu führen.

Bild: die fertige Krause

Aber genau das hat mein Kurs „Costume Construction“ als Ziel. Dass die Studenten lernen ordentlich zu arbeiten, sich ihre Zeit gut einzuteilen und kreative Lösungsansätze zu finden. Dieser Arbeit mit Respekt zu begegnen ist meiner Lehrerin Carol sehr wichtig. Viele in der Theaterabteilung haben vor später als Schauspieler auf der Bühne zu stehen. Für Carol gibt es wenig, dass schlimmer ist als Schauspieler, die die Kostüme als selbstverständlich nehmen und selber nicht wissen, wie viel Arbeit dahintersteckt.

In den letzten vier Monaten habe ich in St. Cloud die Universität besucht und einiges über Bildungssysteme gelernt. Am meisten habe ich aber verstanden, wie gut unser deutsches Bildungssystem ist – trotz kleiner Schwächen.

In Deutschland war ich Schülerin an einem Gymnasium und habe mich nach meinem bestandenen Abitur für eine Ausbildung zur Damenmaßschneiderin entschieden. Ich hatte gemerkt, dass ich besser lernen kann, wenn ich praktisch arbeite. Dadurch begreife ich besser, was ich tun muss, und ich kann meine Fehler leichter selber erkennen. Mein Studium in St. Cloud zeigt mir jetzt, dass ich auch theoretisch arbeiten kann und das gerne tue.

Wir haben in Deutschland ein sehr umfangreiches und breit gefächertes Bildungssystem, das allen Lernertypen die Möglichkeit gibt nach dem Schulabschluss in eine Ausbildung oder ein Studium zu starten.

Bild: Ich in meinem Halloween-Kostüm

Es gibt Berufe, wie zum Beispiel das Schneiderhandwerk, die nur durch eine Ausbildung zu erlernen sind, weil von Anfang an Praxiserfahrung gesammelt werden muss. Ich bin überzeugt, dass in vielen Studiengängen zu wenig praxisorientiert gearbeitet wird und dass in manchen Ausbildungsbetrieben dafür die intellektuelle Herausforderung fehlt. Das kommt meiner Meinung nach daher, dass in unserer Gesellschaft nach wie vor akademische Berufe ein höheres Prestige haben als Berufe im handwerklichen Bereich. Man braucht einen höheren Abschluss um studieren zu dürfen, was leider dazu führt, dass bei Auszubildenden geschlussfolgert wird, sie hätten einen „schlechteren“ Abschluss und seien somit weniger klug. Damit wurde ich als Abiturientin das eine oder andere Mal konfrontiert. Leider auch mit der Meinung, dass ich mein Abitur vergeudet hätte.

Leider gibt es in den USA eine Vielfalt an Ausbildungsmöglichkeiten, wie bei uns, nicht. Wer hier Kostümschneiderin werden möchte, so wie ich, kann nur zwischen keiner und einer akademischen Ausbildung wählen. Das wurde mir durch viele Gespräche mit meiner Lehrerin im „Theater Department“ bewusst. Um in den USA einen Beruf am Theater ergreifen zu können, zum Beispiel als Kostümschneiderin, müsste ich zunächst und ganz generell als Hauptfach „Theater“ wählen und Fächer in diesem Bereich belegen. Das heißt, ich müsste eine Vielfalt an Kursen belegen, wie „Einführung ins Theater“, in Schauspiel und Regie, in Nähpraxis und sehr reduziert in Kostümdesign. Im Laufe der drei Studienjahre würde ich sie alle durchlaufen, vieles kennen lernen, aber nichts davon wirklich intensiv.

Nach diesem Universitäts-Abschluss wäre ich Generalistin. Erst jetzt könnte ich mich spezialisieren, indem ich mich in Theaterwerkstätten bewerbe und versuche eine Stelle als Näherin zu ergattern. Was mir in diesem Ausbildungsweg fehlt, ist der Erwerb breiter schneidertechnischer Kenntnisse und Fähigkeiten, welche ich im Betrieb und in der Berufsschule in Deutschland eben gelernt habe.

Mir wurde von der Politik und meinen Lehrern schon früh vermittelt, dass nur eine akademische Ausbildung wirklich Zukunft hat. Meines Wissens gehen in Deutschland zurzeit sechzig Prozent eines Jahrgangs an Universitäten und Hochschulen. Ich finde, wir sollten von diesem Drang wegkommen nur Akademiker auszubilden und Schüler auf Biegen und Brechen auf die Universität vorzubereiten, weil es das vermeintlich Beste für sie ist. Wir sollten mehr darauf schauen, ob ihre Fähigkeiten in der Praxis oder in der Theorie liegen, und es wertschätzen, wenn sie das selbst herausfinden. Das gilt für Deutschland und wohl auch für die USA.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA begegne ich vielen jungen Leuten, die nicht wissen, was sie studieren sollen, oder ob der Studiengang, den sie belegen, der richtige für sie ist. Sie wechseln verzweifelt hin und her oder schieben den Beginn der Ausbildung immer wieder auf. Sie jobben lieber um herauszufinden, was das Richtige für sie ist. Hört man einigen von ihnen richtig zu, möchte man ihnen einfach nur den Ratschlag geben in einen Ausbildungsberuf zu wechseln, weil man heraushört, dass sie mehr daran interessiert sind praktisch zu lernen.

In Deutschland sollten wir aufhören die Stipendien, die an ehemalige Auszubildende die studieren möchten, vergeben werden, „Aufstiegsstipendien“ zu nennen. Das suggeriert nämlich, dass eine Ausbildung im Rang unter einem Studium steht. Dabei ist es einfach nur ein anderer Weg einen Beruf zu erlernen. Eine solche Stipendium ist eine wirklich gute Sache. Es kommt natürlich auch für mich in Frage, aber nicht um „aufzusteigen“, sondern um mich weiterzubilden!

Ich finde, das Deutsche Bildungssystem ist sehr gut aufgestellt und zudem auch noch verdammt günstig. Davon kann sich Amerika eine dicke Scheibe abschneiden! Wir sollten also unser Bestes geben unser System zu erhalten.

See you soon,
Eure Clara

 

 

Houston Kiltmakers

Nun bin ich schon eine ganze Weile hier und genieße meine Zeit, auch wenn manchmal das Heimweh anklopft. Die letzten Wochen habe ich ohne WLAN verbracht, was zwar die Erfahrung vielleicht mal wert, aber definitv auch eine Herausforderung war. Mein Beitrag hat sich dadurch etwas verzögert, hier mal ein Überblick über meine letzten Wochen.

Nach meiner Zeit bei der Gastfamilie bin ich nach Paisley umgezogen, eine kleine, sehr hübsche Stadt westlich von Glasgow. Das bis heute berühmte Paisley-Muster wurde hier erfunden und hergestellt, was die Stadt im 19. Jahrhundert bekannt und wirtschaftlich relevant gemacht hat. Heute hat Paisley neben schöner Archtiktur auch kulturell einiges zu bieten, nicht zuletzt weshalb sie als „UK-City of Culture“ kandidiert. Im Hinblick auf Geschäfte, besonders Supermärkte, macht sich der Charakter einer Kleinstadt jedoch bemerkbar, da Glasgow aber in 10 Minuten mit dem Zug erreichbar ist, konnte ich mir die Zeit problemlos vertreiben.

Direkt über meinem Arbeitsplatz befand sich mein Appartement, das mein Chef netterweise zur Verfügung gestellt hat. Neben einem gemütlichen Schlafzimmer und einer gut ausgestatteten Küche hatte ich auch einen großen Fernseher mit einer noch größeren DVD-Sammlung. Diese war auf jeden Fall ein guter Ersatz für das Internet und mit selbstgekochtem Essen habe ich mir hier abends gemütlich gemacht.

Houston Kiltmakers ist ein in dritter Generation geführter Familienbetrieb. Ursprünglich als Herrenausstatter hat sich der Laden im Laufe der Zeit auf „Highlandwear“ spezialisiert. Jeder Kilt ist maßgefertigt und auf die Wünsche des Kunden angepasst. Neben einer Reihe von modernen Tartans hat jeder traditionelle Familienname, der auf die schottischen Clans zurückgeht, ein ganz eigenes Muster, das gerne bei festlichen Anlässen präsentiert wird. Kilts und Sakko werden hierbei von einer Vielzahl von Accessoires ergänzt. Als preiswertere Alternative gibt es außerdem einen Leihservice.

       

Die maßgefertigten Kleidungsstücke werden in einem anderen Betrieb hergestellt und in der internen Schneiderei, in der ich gearbeitet habe, angepasst und für die Anprobe vorbereitet. Kilts sind sehr änderungsfreundlich, weshalb sie ein Leben lang getragen und ebenfalls für jeden Verleih individuell angepasst werden können. Die Weite wird mit Gürtelschnallen reguliert, die bei Bedarf abgetrennt und an entsprechender Stelle neu angenäht werden. Zum Kürzen wird der Saum mit einem unsichtbaren Maschinenstich hochgenommen. Dazu müssen die zahlreichen Falten zuvor herausgebügelt und anschließend mit einer Bügelpresse neu fixiert werden. Nach einiger Beobachtungszeit konnte ich mich daran probieren und später auch ganz eigenständig Aufträge bearbeiten. Aufgrund der Menge(ganze 7 Meter Stoff) und des Gewichts brauchte ich anfangs erwas Übung im Umgang mit den Kilts, aber mit der Zeit und einigen hilfreichen Handgriffen meisterte ich die Aufgaben schließlich problemlos. Auch für Hochzeiten passend angefertigte Accessoires wie Krawatten, Schärpen, Strumpfbänder, Ringkissen usw. konnte ich selbstständig anfertigen. Da es immer neue, individuelle Aufträge gab, war die Arbeit sehr abwechslungsreich und interessant. Besonders gut hat mir gefallen, dass in meine Fähigkeiten vertraut wurde und ich Verantwortung übernehmen konnte.

Mittlerweile bin ich auf der Insel Bute und arbeite hier für die gleichnamige Firma, die Wollstoffe designt und herstellt. Bald folgt darüber mehr.

 

Finja

Duluth

Ich weiß nicht mehr genau, wie lange es her ist, dass ich an der Côte d’Azur war, aber ich kann mich noch ganz genau daran erinnern wie wunderbar ich den Blick auf das klare Wasser fand, wie sehr ich es mochte an der Küste entlang zu fahren und das endlos weite Meer zu betrachten. Das war für mich immer ein sehr angenehmes Gefühl, auch daran zurück zu denken. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas hier in Minnesota finden würde. Ich habe das Land zunächst eher als einen rauen, pragmatischen Staat gesehen. Alles ist sehr platt, der Wind fegt unermüdlich durch und das Wetter wechselt mittlerweile von Tag zu Tag. Die Straßen sind Schnurgerade und wenn man doch mal abbiegen muss, dann im rechten Winkel.

Meine Gastmutter hatte mich und eine Freundin eingeladen für zwei Tage nach Duluth zu kommen und mit ihr eine Nacht dort zu bleiben. Also haben Claudia und ich uns am Freitagmorgen in mein Auto gesetzt und sind nach Norden gefahren. Etwa zweieinhalb Stunden fährt man durch unbewohntes Land, überquert Flüsse und Seen, die man irgendwann aufhört zu zählen, weil es zu viele sind. Manchmal steht ein einsamer Briefkasten an einer geschotterten Straße, aber man findet das Haus dazu nicht.
In den USA Auto zu fahren ist wirklich angenehm. Die Interstates, die man mit der deutschen Autobahn vergleichen kann sind bei weitem nicht so befahren, wie in Deutschland und zudem wird sich hier auch sehr gut an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten, die in MN bei etwa 110 km/h liegt. Was das fahren hier auch sehr besonders macht ist die Tatsache, dass man die Landschaft richtig genießen kann. Die Straße ist, anders als in Deutschland nicht von Lärmschutzwänden oder Leitplanken gesäumt. Ganz im Gegenteil, von Zeit zu Zeit wird sogar vor Wildwechsel gewarnt, was ich nur von deutschen Landstraßen kenne.

Bild: Am Strand

 

Je weiter wir nach Norden kamen, desto mehr fragte ich mich wo denn hier eine Stadt, geschweige denn der Lake Superior auftauchen soll. Nach einer längeren Weile mit Adam Levine und Dolly Parton im Ohr wurde unser Warten mit einem unbezahlbaren Ausblick belohnt. Und in diesem Moment wünsche ich mir, ich hätte ein Bild davon machen können: bevor man nach Duluth kommt schraubt sich die Straße den Berg hoch und man sieht eigentlich nicht genau, wo es hingeht und dann plötzlich am höchsten Punkt schieben sich die Hügel auseinander und geben einen endlos weiten Blick auf Duluth und den dahinter liegenden Lake Superior frei. In diesem Moment kann man nicht nur die ganze Stadt überblicken, die in einem Tal liegt, man sieht auch auf seiner rechten Seite nach Wisconsin, während man selber noch in Minnesota ist. Diese Aussicht hat uns endgültig die Sprache verschlagen. Duluth entpuppt sich danach allerdings erstmal als eine nicht wirklich schöne Stadt. Direkt am See gelegen hat sie sich zu einer Schifffahrts- und Industriestadt entwickelt. Hier teilt sich die Interstate auf und leitet einen entweder zum Südufer nach Wisconsin oder entlang des Nordufers nach Kanada weiter. Wir fuhren durch das entstehende Brücken-Wirr-Warr weiter in die Stadt hinein, bis zum Rosegarden von dem man einen herrlichen Blick auf den See hat. Von dort aus kann man wunderbar den See entlang zum Canal Park laufen. Der Canal Park teilt die Stadt von dem industriellen Part und den See vom Zufluss des St. Louis River. Es ist eine schöne Promenade, auf der Fahrrad gefahren wird, Pferdekutschen Touristen durch die Gegend fahren und sich ein Hotel an das nächste reiht. Dazwischen hat sich immer mal wieder ein Restaurant mit Seeblick einen Platz gesichert. Eigentlich hatte meine Gastmutter uns den Tipp gegeben bei „Grandma’s Saloon“ zu Mittag zu essen. Nachdem wir allerdings die Reklame für das Oktoberfest gesehen hatten und zudem die Musik mehr schrecklich war als Heimweh lindernd entschieden wir uns für die „Canal Park Brewing Company“ entschieden. Jedem den es nach Duluth verschlägt kann ich nur ans Herz legen dort ein Sandwich mit Fries zu essen. Erstens spricht der Seeblick sehr dafür auf der dortigen Terrasse Platz zu nehmen, aber auch das Essen ist wirklich gut.

Bild: Blick auf den Lake Superior vom Canal Park aus

Als Verdauungsspaziergang lohnt es sich den kleinen Kanal zu überqueren und der Straße zu folgen bis man einen Zugang zum Strand findet. Die Brücke ist auch einen Anblick wert, besonders, wenn sie hochfährt um ein Frachtschiff passieren zu lassen. Ich glaube es waren zwei oder drei Stunden, die Claudia und ich damit zugebracht haben fast schweigend nebeneinander zu sitzen, auf das Wasser zu schauen und dem Wellengang zuzuhören! Eines der schönsten Geräusche die man sich anhören kann. Abends haben wir uns noch den Enger Tower angeschaut und die 85 Stufen lohnen sich auf jeden Fall! Wir haben uns von dort oben den Sonnenuntergang angeschaut und wie nach und nach die Lichter der Stadt angehen, bis es ausschaut wie ein leicht orangener Sternenhimmel.

Für den nächsten Tag hatten wir geplant an der Küste entlang weiter zu fahren bis zum Split Rock Lighthouse und uns dann auf dem Rückweg die Gooseberry Falls anzuschauen. Und dass ist der Teil des Trips in dem ich für einen Moment dachte an der Côte d’Azur zu sein. Ron, der Vater meiner Gastmutter, hatte mir den Rat gegeben auf der Minnesotan Seite des Sees weiter zu fahren, weil er es dort schöner findet und damit hatte er einfach recht. Verlässt man Duluth kommt man zunächst auf einen kleineren Highway, der einen durch das Villenviertel der Stadt führt. Dort stehen die Häuser bis ans Wasser, wie am Wannsee, und sind mit Toren und langen Auffahrten von der Straße abgeschirmt. Zwischen den Häusern kann man immer mal ein kleines Stück vom Wasser erspähen. Und da war es wieder, das Gefühl, am Meer zu sein, die Faszination für diese Schönheit und Eleganz und die Überraschung hier so etwas zu sehen.

Bild: Split Rock Lighthouse

Das Split Rock Lighthouse liegt etwa fünfzig Meilen von Duluth entfernt, die Gooseberry Falls auf dem Weg dorthin. Die Straße führt einen direkt am See entlang immer weiter Richtung Kanada. Nachdem im November 1905 etwa dreißig Schiffe in einem Sturm verunglückt sind wurde beschlossen dort auf den Klippen einen Leuchtturm zu errichten. 1910 ging der Leuchtturm in Betrieb und konnte die folgenden knapp fünfzehn Jahre nur vom Wasser aus erreicht werden. Das Material für den Bau wurde ebenfalls über das Wasser geliefert und dann mit einem kleinen Transportzug den Hang hinaufgezogen. Die schienen sind zwar nicht mehr da, aber man kann den gleichen Weg hinunter zum Wasser nehmen. Der Strand dort ist im Grunde genommen ein langer, schwarzer Fels, der von den Wellen ganz rund und glatt gewaschen wurde.

In den zwanziger Jahren wurde dann eine Straße zu dem abgelegenen Leuchtturm gebaut, wodurch auch Touristen ihren Weg dorthin fanden, knapp 5.000 jedes Jahr bis in die dreißiger Jahre hinein. Und das zu Recht. Von dem Split Rock Lighthouse hat man einen endlos weiten Blick über den See. Ist das Wetter besonders klar kann man sogar das Ufer von Wisconsin sehen und obwohl einige Touristen jeden Tag dorthin begeben ist es dort eine wirklich schöne Atmosphäre. Man kann sich auch eines der ehemaligen Wärterhäuser anschauen. Der letzte Leuchtturmwärter leistete Dienst und lebte dort mit seiner Familie bis 1962 als der Leuchtturm geschlossen wurde. Mittlerweile ist das Split Rock Lighthouse eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in der Umgebung von Duluth.

Bild: Die unteren Wasserfälle der Gooseberry Falls

Auf dem Rückweg hielten wir noch an den Gooseberry Falls. Das sind mehrere, in einem Nationalpark gelegene Wasserfälle die man auf einem Trail umrunden kann. Ich meine insgesamt sind es fünf Wasserfälle, wir haben uns drei davon angeschaut und wie jedes Mal an diesem Wochenende einfach mal nur am Wasser gesessen und die Geräusche genossen und Menschen beobachtet.

Jeder der in den Norden Amerikas reist sollte sich die Gegend um Duluth und den Lake Superior anschauen. Besonders im Herbst wenn sich die Blätter verfärben und alles Orange wird lohnt es sich auf den Weg in den Norden Minnesotas zu machen. Genau eine Woche nach dem Ausflug nach Duluth sind Claudia und ich wieder zusammen los. Diesmal an den Leech Lake. In dieser Woche hatte in Minnesota der Herbst Einzug erhalten und die Bäume leuchteten in Orange, Gelb und Rot. Auf dem Weg und am See kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus und unser Wortschatz beschränkte sich, wie auch schon auf der Fahrt nach Duluth, auf die Worte „Beautiful“ und „Wow“. Wir hatten an diesem Wochenende nicht wirklich viel Glück mit dem Wetter, aber ich denke, dass genau das, das bezaubernde war. Obwohl es den ganzen Sonntag regnete leuchtet alles so herrlich, als würde die Sonne scheinen. Anstatt sonntags direkt zurück nach St. Cloud zu fahren machten wir einen Schlenker nach Westen zum Lake Itasca und somit zu der Quelle der Mississippi. Der Mississippi entspringt aus einem See zweieinhalb Stunden nördlich von St. Cloud. In St. Cloud selber ist der Fluss unheimlich breit, unter anderem, weil er hier angestaut wird.

Bild: An der Quelle des Mississippi

Als ich zum ersten Mal bei GoogleMaps nach St. Cloud geschaut habe, war ich richtig aufgeregt, dass die Stadt am legendären Mississippi-River liegt. Als mir meine Gastmutter dann auch noch erzählte, dass die Quelle nicht weit entfernt liegt, stand der Plan fest diese Quelle zu sehen. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass der Fluss hier im Norden noch nicht legendär ist, sondern erst in den Südstaaten, vermutlich hat da Mark Twain nachgeholfen. Lake Itasca liegt in dem gleichnamigen Nationalpark den man mit dem Auto durchfahren kann. Es ist kein sonderlich großer Park aber die Straße führt einen einmal in Kreis, entlang verschiedener Seen und über den Mississippi. Eigentlich weiß ich, dass jeder Fluss mal klein angefangen hat und trotzdem war ich überrascht, dass auch der Mississippi als kleiner Bach loslegt, bevor er zu einem ausgewachsenen Gewässer wird. Nachdem ich jetzt schon die Quelle des Flusses gefunden habe möchte ich auch gerne sehen, wie er bei New Orleans in den Golf von Mexiko mündet. Ob ich das dieses Jahr noch schaffe, oder ob ich diesen Plan weiter vor mir herschiebe, werde ich noch sehen.

Jetzt bin ich erstmal glücklich, es geschafft zu haben euch von dem wunderbaren Herbst im Norden von Minnesota erzählt zu haben und freue mich schon darauf meine Eindrücke von North und South Dakota aufzuschreiben.

See you soon,
eure Clara

Portsmouth Teil2

Hallo alle zusammen,

Nun ist schon meine letzte Woche hier in Portsmouth und es wird langsam kälter und stürmischer. Ich arbeite imit Office eines Kindergartens und es macht mir sehr viel Spaß. Ich habe sehr viel zu tun und sehr viel unterschiedliches. Über Informationen für Eltern verfassen, Formulare erstellen und neue Aufgaben für Kinder erstellen. Meine Aufgaben bekomme ich von meinen Kollegen im Büro sowie von den Erzieherinnen. Es gibt dann oft Vorstellungen von Formularen oder ähnlichem und ich kann selbstständig probieren,  diese in Word umzusetzen.

Außerdem  gibt es eine  internes System, um die Informationen der Kinder zu sammeln und auszuwerten. Damit werden Statistiken erstellt und Beträge  für die Eltern verfasst, welche diese zu Hause downloaden können. Der Kindergarten ist in technischen Dingen schon sehr weit und gut vernetzt.

Es ist am Anfang schwierig  gewesen, die Arbeitsaufträge direkt zu verstehen,  da sie inhaltlich und sprachlich neu für mich waren. Doch mittlerweile  ist es kein großes Problem mehr.

In Portsmouth geht es mir auch echt gut. Wir haben hier einen super schönen Herbst gehabt und nochmal ein paar Tage mit sonnigem Wetter.

Ich habe hier viel angesehen und war etwas stoppen.  Am Wochenende war ich im Aquarium  in Portsmouth und letztes Wochenende habe ich einen Trip nach London gewagt.

Nun neigt sich meine Zeit hier schon dem Ende zu und am Samstag geht es zurück nach Kassel. Doch ich bin sehr froh, diese  Auslandserfahrung gemacht zu haben und zu merken, dass man sich besser verständigen kann, als ich am Anfang dachte.

Liebe Grüße aus Portsmouth

Lina